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Nation: | Schweiz |
von Jörg Bong, Michael Koetzle, Thomas Schaefer
Stand: 15.02.2014
Als Urs Widmer 1968 mit „Alois“ sein Prosadebüt gab, erblickte die westdeutsche Kritik in der knapp achtzig Seiten langen Erzählung eine Seltenheit im „Gleichschritt des Ernstes gegenwärtiger deutscher Literatur“. Die Rezensenten bescheinigten dem Autor Fantasie und Reflexionsvermögen und hoben besonders Originalität und Witz des Buches hervor. In „Alois“ hatte Widmer jedoch ein Erzählkonzept angelegt, das durch diese Prädikate nicht adäquat beschrieben war. Auch die in unmittelbarer Folge publizierten Prosaarbeiten entsprachen konsequent diesem Prinzip und entwickelten es weiter, dennoch wurden Widmers Arbeiten lange Zeit als „skurrile Späße eines Clowns“ abgetan.
Diese Fehleinschätzung überrascht, denn Widmer gibt in zahlreichen Selbstcharakterisierungen über sich und seine Arbeit Auskunft, sogar in Aufsätzen über Robert Walser, Eugène Labiche und Jules Verne finden sich – gewollt-ungewollt – Verweise auf sein eigenes Werk. In den Essays zu Verne und Labiche zeigt Widmer die Gemeinsamkeit der beiden Antipoden: Jeder baut in seinen Texten an einem geschlossenen, homogenen System, zum einen das einer wissenschaftlich-technischen Utopie, zum anderen das einer kleinbürgerlichen Wirklichkeit. Diese beiden Kategorien in ihrer Gegensätzlichkeit zu konfrontieren, ist Teil des erzählerischen Kalküls in Widmers ...