Jonathan Franzen
Geburtstag: |
|
Nation: |
|
Geburtstag: |
|
Nation: |
|
Internationales Biographisches Archiv
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW
Jonathan Franzen wurde am 17. Aug. 1959 in Western Springs (Illinois) geboren. Er war der jüngste von drei Söhnen des Bauingenieurs Earl Franzen († 1995) und der Hausfrau Irene, geb. Super († 1999). Die Familie des Vaters stammte aus Schweden, die Mutter hatte osteuropäische Vorfahren. F. wuchs mit seinen Brüdern Bob und Tom in Webster Groves auf, einem Vorort von St. Louis (Missouri).
F. absolvierte ein Germanistik-Studium am Swarthmore College in Pennsylvania mit Studienaufenthalt in München (1979/1980) und Bachelor-Abschluss (1981). Als Fulbright-Stipendiat studierte er anschließend bis 1982 an der Freien Universität Berlin. Einfluss auf ihn übten insbesondere die Werke von
Erste Romane1983-1987 arbeitete F. in einem seismologischen Labor der Harvard University, wofür er kein spezielles Fachwissen benötigte. In dieser Zeit schrieb er sein Romandebüt "The Twenty-Seventh City" (1988; dt. 2003, "Die 27ste Stadt"). Die dystopische Politsatire über den Verfall seiner Heimatstadt St. Louis erntete zwar viel Kritikerlob, wurde aber kein Publikumserfolg. Ähnlich war es bei F.s zweitem Roman "Strong Motion" (1992; dt. 2005, "Schweres Beben"), einer Liebes- und Familiengeschichte vor dem Hintergrund einer rätselhaften Erdbebenkatastrophe in Boston. Für Aufsehen in der literarischen Welt sorgte sein Essay "Perchance to Dream: In the Age of Images, a Reason to Write Novels" (in: Harper's Magazine, 4/1996). Darin verkündete er das Ende des sozialkritischen US-Romans, da die Leser durch den Einfluss des Fernsehens nicht mehr herausgefordert, sondern nur noch unterhalten werden wollten. Er forderte einen Mittelweg zwischen avantgardistischen, bei der akademischen Elite beliebten Romanen und einer intellektuell unambitionierten Unterhaltungsliteratur und kündigte an, selbst einen ebenso anspruchsvollen wie unterhaltsamen Roman verfassen zu wollen.
Internationaler Durchbruch mit "The Corrections"Der 2001 erschienene Gesellschaftsroman "The Corrections" (dt. 2002, "Die Korrekturen") wurde schließlich ein Weltbestseller. F. erzählt darin von einer fünfköpfigen amerikanischen Mittelklasse-Familie namens Lambert, deren Mitglieder mit ihren Lebensentwürfen auf verschiedene Arten scheitern. Im Gegensatz zu postmodernen Autoren wählte er eine realistische Erzählweise ("Ich will immer noch über Menschen schreiben - weil ich sie kenne"; TSP, 28.1.2002).
Romane "Freedom" und "Purity"Nachdem der Suizid seines besten Freundes und Kollegen
Höchstes Erzählniveau bescheinigten die Feuilletons auch F.s Roman "Purity" (2015; dt. "Unschuld"), einer laut US-Verlag "tiefschwarzen Komödie" über jugendlichen Idealismus, maßlose Treue und den Geschlechterkampf. Im Zentrum stehen eine junge Frau auf der Suche nach ihrem Vater und ein ehemaliger DDR-Bürger, der in den USA Karriere als Whistleblower macht. F. beschrieb darin das Internet und das digitale Zeitalter als totalitäres System und moderne Fortsetzung des Sozialismus, was ihm v. a. in Deutschland Kritik wegen Verharmlosung der DDR-Diktatur einbrachte (vgl. ZEIT, 3.9.2015). "Ein komplexer Roman voller Anspielungen und Referenzen, dessen aufwendige Konstruktion fast unsichtbar bleibt", lobte dagegen die Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.8.2015). Eine 2016 angekündigte Serien-Verfilmung mit Starbesetzung (
RomantrilogieAls Auftakt einer geplanten Trilogie ("A Key to All Mythologies") erschien 2021 der Roman "Crossroads" über die multiplen Krisen der deutschstämmigen protestantischen Pfarrersfamilie Hildebrandt in einem Vorort von Chicago. "Crossroads" heißt hier eine hippieske kirchliche Jugendgruppe, die sich in gruppendynamischer Selbsterkundung übt. Erstmals bei F. spielt die fiktive Handlung nicht in der Gegenwart, sondern Anfang der 1970er Jahre (mit Rückblenden in die 1940er). Mehrere Rezensenten erkannten dennoch Aktualitätsbezüge im Roman, der gleichsam als "amerikanische Mentalitätsgeschichte" die Wandlung von einer gottgläubigen Innerlichkeit in die säkularisierten Identitätsdebatten und Achtsamkeitsbewegungen der Gegenwart sichtbar mache (ZEIT, 30.9.2021; vgl. TSP, 4.10.2021). DER SPIEGEL (2.20.2021) meinte, das Buch schärfe die Sinne für die mythologische Frage, "ob und wie es gelingen kann, das Böse zu bekämpfen", während
Essays, Autobiographisches und ÜbersetzungenKürzere Prosastücke und Essays, die F. für "Harper's Magazine", "The New Yorker", "The New York Times" oder "The Guardian" schrieb, erschienen auch in mehreren Sammelbänden. Sein erster Essayband "How to be alone"(2002; dt. "Anleitung zum Einsamsein") enthielt laut Kritik "glänzende Zustandsbeschreibungen der amerikanischen Gesellschaft" (FAZ, 26.10.2002), aber auch Autobiographisches. 2006 folgte "The Discomfort Zone" (dt. 2007, "Die Unruhezone"), eine autobiographische Erzählung über eine Jugend im Mittelwesten der USA und ein Erwachsenenleben in New York. Dabei sei "nicht großes Unglück" das Thema, sondern "das kleine Dauerunglück eines unstimmigen Lebensgefühls", schrieb DIE ZEIT (15.3.2007).
Intensive Debatten und heftige "Shitstorms" im Internet lösten F.s Einlassungen zum Thema Klimawandel aus. Seine Überlegungen aus dem zuerst im "New Yorker" (30.3.2015) erschienenen Essay "Carbon Capture" (dt. als Buch 2015, "Die Klima-Klemme") führte er fort in den Bänden "Das Ende vom Ende der Welt" (dt. 2019) und "Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen?" (dt. 2020). F., der auch ein passionierter Hobby-Ornithologe ist, zog eine Trennlinie zwischen Klimaaktivisten und Umweltschützern, störte sich an den "eschatologischen" Kampagnen der Klimaschützer und forderte, die Krise der Artenvielfalt mehr zu beachten bzw. nicht nur als Folge des Klimawandels abzutun. Seit 30 Jahren wisse man um die Probleme der Erderwärmung, dennoch erreichten die globalen Treibhausgas-Emissionen immer neue Rekordhöhen. Da die Klimakatastrophe nicht mehr aufzuhalten sei, plädierte F. für eine Prioritätenverschiebung von unrealistischen Emissionsreduktionszielen auf das Machbare im Hier und Jetzt, z. B. den Artenschutz in der eigenen Umgebung oder Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung.
F. hat auch deutsche Werke ins Englische übertragen. Enttäuscht von einem New Yorker Musical, das auf
Lesereisen, Vorträge und EngagementAls gefragter Autor absolvierte F. zahlreiche Lesereisen, auch in Deutschland. 2009 trat er in Berlin mit einem erstmals auf Deutsch gehaltenen Vortrag über "Sex, Literatur und die deutsche Sprache" auf und übernahm die Tübinger Poetik-Dozentur (zusammen mit
F. wohnt mit seiner Lebensgefährtin, der Autorin Kathryn Chetkovich, im kalifornischen Santa Cruz. Zuvor lebte er in New York und war ab 1982 mit der Schriftstellerin Valerie Cornell verheiratet, von der er sich 1994 trennte. Als bekennender Vogelliebhaber und -beobachter wählte F. seine Reiseziele zunehmend danach aus, ob sie "ornithologisch ergiebig sind" (TSP, 10.3.2007).
Veröffentlichungen u. a.: "The Twenty-Seventh City" (88; dt. 03, "Die 27ste Stadt"; Roman), "Strong Motion" (92; dt. 05, "Schweres Beben"; R.), "The Corrections" (01; dt. 02, "Die Korrekturen"; R.), "How to be alone" (02; dt. "Anleitung zum Einsamsein"; neu 07, "Anleitung zum Alleinsein"; Ess.), "The Discomfort Zone. A Personal History" (06; dt. 07, "Die Unruhezone. Eine Geschichte von mir"), "Freedom" (10; dt. "Freiheit"; R.), "Are we feeling better now? Fiktion und Autobiographie" (10; m. Adam Haslett; Tübinger Poetikvorl.), "Farther Away" (12; dt. 13, "Weiter weg"; Ess.), "Purity" (15; dt. "Unschuld"; R.), "Carbon Capture" (15, in: The New Yorker; dt. "Die Klima-Klemme"; Ess.), "The End of the End of the Earth" (18; dt. 19, "Das Ende vom Ende der Welt"; Ess.), "What if We Stopped Pretending?" (19, in: The New Yorker; dt. 20, "Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen?"; Ess.), "Crossroads" (21; R.). Übersetzungen: "Spring Awakening" (07), "The Kraus Project" (13).
Literatur u. a.: Sibylle Freitag: "The return of the real in the works of Jonathan Franzen" (09), Philip Weinstein: "Jonathan Franzen. The comedy of rage" (15). Film: Marion Kollbach: "Fünf Tage mit Jonathan Franzen" (12; Arte).
Auszeichnungen u. a.: Whiting Award (88), Guggenheim-Stipendium (96), Granta's Best of Young American Novelists (96), Berlin Prize/American Academy in Berlin (00), National Book Award (01), Salon Book Award (01; 10), James Tait Black Memorial Prize (02), Ehrendoktorat Swarthmore College (05), International Author of the Year/Galaxy National Book Awards (10), kulturnews Award (10), Heartland Prize (11), John Gardner Award (11), Carlos Fuentes Medal (12), "WELT"-Literaturpreis (13), Budapest Grand Prize (15), EuroNatur-Preis (15), Frank-Schirrmacher-Preis (17).
2022:
Mitgliedschaften u. a.: American Bird Conservancy (Vorstand; ab 08), Akademie der Künste in Berlin (ab 10), American Academy of Arts and Letters (ab 12), American Academy of Arts and Sciences, Ordre des Arts et des Lettres (ab 12).
c/o Steven Barclay Agency, 12 Western Avenue, Petaluma, CA 94952, U.S.A., Tel.: +1 707 7730654, E-Mail: info@barclayagency.com, Internet: http://www.barclayagency.com
c/o Rowohlt Verlag GmbH, Kirchenallee 19, 20099 Hamburg, Tel.: 040 7272-0, E-Mail: info@rowohlt.de, Internet: www.rowohlt.de
Internet: www.jonathanfranzen.com