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Bodo Hell

Bodo Hell

österreichischer Schriftsteller
Geburtstag: 15. März 1943 Salzburg
Nation: Österreich

Internationales Biographisches Archiv 08/2018 vom 20. Februar 2018 (ds)
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 52/2024


Blick in die Presse

Herkunft

Bodo Hell wurde am 15. März 1943 in Salzburg geboren.

Ausbildung

Nach dem Abitur studierte H. am Salzburger Mozarteum Orgel sowie Film und Fernsehen an der Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Wien, danach Philosophie an der Universität Wien.

Wirken

Schriftsteller und WandererBerufstätig wurde H. als freier Schriftsteller und Senner in Wien und in der Steiermark. Als leidenschaftlicher meditativer Wanderer und Fußgänger durchstreift er Berge und Städte, immer auf der Suche nach literarisch verwertbaren Spuren und Zeichen. DIE ZEIT (15.3.1991) bescheinigte dem Autor, der 1977 mit drei Bergerzählungen debütierte, "eine sonnige Freude darüber, eine literarische Fundsache, die dem Vergessen anheimzufallen drohte, im neuen, erfundenen textlichen Umfeld aufgehoben und bewahrt zu haben". Wertvolle Fundsachen, die er gern auch fotografisch festzuhalten sucht, sind für H. Inschriften, Appelle und Hinweise auf Häuserwänden, Zäunen oder Gerüsten, Ladenschilder und Firmensignets. Auch seine Gebirgswanderungen geraten ihm immer wieder zu "Sprachgängen", die ihren Niederschlag in einer experimentellen Prosa mit vielen Zitaten, Gedanken und Assoziationen finden. Ernst Jandl schrieb in seiner Begründung für die Vergabe des Erich-Fried-Preises im Jahre 1991 an H.: "Hells Werk entwickelt sich auf zwei Ebenen. Mittels präziser Darstellung von Wirklichkeit auf der Basis persönlicher Erlebnisse stellt er der diskreditierten Berg-Literatur früherer Jahrzehnte eine nüchterne, sprachbezogene Bestandsaufnahme des gefährdeten Naturraums entgegen. Unserer durchwegs urban bestimmten Zivilisation gilt der zweite Strang seiner Literatur: Aus Tausenden von Indizien, in einer von den Medien beherrschten sprachlichen Umwelt gesammelt, konstruiert H. ein kritisches Bild der heutigen Gesellschaft." Die Süddeutsche Zeitung (9.7.1988) meinte in ihrer Rezension von H.s Prosaband "666" u. a.: "Hell schreibt an gegen die Zerstörung der Landschaft durch die touristische Vernutzung. Vor allem die Texte über griechische Landstriche staffeln die Beobachtungen und Assoziationen zu einer beschwörerisch-hektischen Gleichzeitigkeit ungleichzeitiger Ortsmerkmale. Eingeklammert, als Einschübe - Nachschübe - mischen sich Metaphern, Wortlautreize oder kommentierende Erklärungen auf besonders sparsame und distanzierte Weise in den Text ein." "Die Welt in einem Panoramaanblick", so die Süddeutsche Zeitung (11.10.1995), bot H. in seinem 1994 erschienenen Buch "mittendrin" mit Zeichnungen der Performancekünstlerin Hil de Gard, die zusammen mit Linde Waber auch den H.-Band "Ma(h)lzeit" (1997) ausstattete.

Repertoire und Rezeption des VielseitigenH. betätigt sich auch in anderen künstlerischen Bereichen wie der Fotografie, dem Film und der Musik. Als H. 2003 den renommierten "Preis der Literaturhäuser" erhielt, wurde in der Begründung genau darauf Bezug genommen. So hieß es dort: "Kritischer Sprachwitz, unterstützt und gelenkt vom Auftritt des Autors, seine Gestik und Mimik animieren über das Schmunzeln und Lachen hinaus zum Nachdenken, ja, fordern dieses heraus und fördern es zutage. … Über seine Texte und den Vortrag hinaus zeichnet er sich als multimedialer Autor in einer multimedialen Zeit aus, wobei er mit den Versatzstücken dieser Welt spielt, sie ständig bricht und hinterfragt. Bodo Hells Literatur – oft ein 'Dickicht von Beobachtungen und Gedanken' (Ernst Nef) – ist eine Literatur zum Zuhören" (www.literaturhaus.net). In dem Band "Tracht: Pflicht. Lese- und Sprechtexte", einer Montage aus Wegbeschreibungen und Wahrnehmungen entlang der Wanderrouten nebst Erwähnung von allem Wissenswerten, sah die Neue Zürcher Zeitung (10.11.2004) gelungene Prosastücke: Sie "funkeln vor sprachlichem Witz und poetischer Frische und laden obendrein zu einem neuen Blick auf die Natur ein". Mit dem kleinen Band "Nothelfer" beschritt H. 2008 wieder andere Wege; hier beschrieb er die vierzehn Nothelfer, die als wundertätige Heilige im Alpenraum und in der Ostkirche besonders vom Volk verehrt werden. 2006 wurde H. auf dem 30. Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt mit dem Telekom-Austria-Preis ausgezeichnet. Er war dort "als einer der Großen der ausgeblichenen österreichischen Avantgarde ins Rennen gegangen" (FAZ, 26.6.2006) und errang mit seinem von Maultrommelspiel begleiteten Vortrag einen Achtungserfolg. Einen Überblick über seine Werke gab H.s Anthologie "Omnibus, Texte von, Beiträge zu Bodo Hell" (2013), die exemplarische Texte, Laudationes und literaturwissenschaftliche Kommentare versammelte. In "Ritus und Rita" (2017) räsonnierte H. über Heiligenlegenden und Ikonographien christlicher Märtyrer und Heiliger, indem er nach Meinung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (9.3.2017) die Legenden aus der Vergessenheit zurückholte und sie als "Material literarischer Ausschweifungen" benutzte. Die Neue Zürcher Zeitung (27.8.2013) schrieb über H.: "Die Dichte der Informationen erreichen bei diesem Autor eine Dynamik, die den wahrnehmungssüchtigen und mit altem Wissen ausgestatteten Chronisten unserer Wirklichkeiten auch zu einem großen Poeten macht." Neben seiner literarischen und künstlerischen Arbeit wirkt H. auch als Lehrer an der Schule für Dichtung in Wien und hält Poetikvorlesungen an der Universität Klagenfurt.

9. August 2024: Bodo Hells Verlag Droschl meldet den Schriftsteller offiziell als vermisst. Hell war vor genau einem Monat bei einer Wanderung im Dachsteingebirge in Österreich zuletzt gesehen worden. Seitdem ist er spurlos verschwunden, auch eine intensive Suche der Einsatzkräfte brachte keine Hinweise auf seinen Verbleib.

Familie

H. lebt in Wien und im Sommer als Senner und Viehhirte am Dachstein in der Steiermark.

Werke

Veröffentlichungen u. a.: "Dom. Mischabel. Hochjoch. 3 Bergerzählungen" (77), "Pflaster" (80; zus. mit Johann Kräftner), "Stadtschrift" (83; mit 200 Fotografien), "Stadtschrift Lüdenscheid" (84; 47 Fotografien), "Larven Schemen Phantome" (86; zus. mit Friederike Mayröcker), "666" (87; Erzählungen, mit 111 Fotografien), "wie geht's" (89; Erzählungen), "Gang durchs Dorf: Fingerzeig" (92; Fotoband zu den Deinzendorftexten von Friederike Mayröcker), "Stichwort Stadt" (92; 32 Postkarten), "Die wirklichen Möglichkeiten. Zwei Reden zum Erich-Fried-Preis 1991" (92; zus. mit Ernst Jandl), "mittendrin. Erzählungen" (94; mit Zeichnungen von Hil de Gard), "Ma(h)lzeit" (97; mit Bildern von Hil de Gard und Linde Waber), "Die Devise lautet. Erzählung" (99), "Das Gericht - Ein Gedicht" (2000; mit Hil de Gard und Linde Waber), "Augenklappe" (00), "Im Prinzip gilt" (00; Erzählung), "dableib/wegwill" (01), "innen ein bild" (02), "Tracht: Pflicht. Lese- und Sprechtexte" (03), "Auf der Alm …" (04), "Yppenplatz" (05), "Frost: relaunched. 'Wissen lenkt vom Wissen ab, wissen Sie!'" (06), "Nothelfer" (08), "Untersberg - Grenzgänge - Gangsteige" (12), "Nachsuche" (12; zus. mit Ingrid Schreyer), "Omnibus, Texte von, Beiträge zu Bodo Hell" (13), "Im Flug der Tage" (13; Texte zu Zeichnungen von Linde Waber), "Landschaft mit Verstoßung" (14; Klangbuch), "Matri Mitram" (14), "Stadtschrift: Texte und Fotos" (15), "kein Maulwurfshügel" (16), "Ritus und Rita" (17), "Parallelprosa mit Insel Werd" (17; zus. mit Zsuzsanna Gahse), "Kunstschrift" (17).

Theater: "Herr im Schlaf" (95; UA, Graz), "Tassen im Schrank" (96; UA, Salzburg), "Gold im Mund" (99; UA, Salzburg), "Mohr im Hemd" (00; UA Rauris), "Ria Nackt. Eine Racheoper" (02; UA, Krems). Hörspiele: "Zwettl Gmünd Scheibbs" (74), "Aber ich Aber ich" (76), "Kopf an Kopf" (78), "Akustisches Portrait" (81; alle zus. mit Liesl Ujvary), "Ziegenmelken" (89; ORF), "2x2. Sprechhaltungen" (96; ORF), "Geeister Tee oder Geistertee und Man zehrt ja davon" (96), "Mein Radio und ich (O-Ton)" (04). Filme: "Linie 13A" (81; Saarld. Rundfunk), "1 Häufchen Blume, 1 Häufchen Schuh. Die Schriftstellerin Friederike Mayröcker" (90), "Mobile Stabile" (92; Videofilm über die Autobahn, mit Othmar Schmiderer und Harald Friedl), "Am Stein" (96; Dokumentarfilm über das Leben im Hochgebirgssommer), "Im Anfang war der Blick" (00; Live-Animationsfilm von Bady Minck), "Ariadne im Garn. Ria Nackt. Eine Racheoper" (02), "Im Anfang war der Blick" (03), "feminin/masculin" (14) .

2023: Bodo Hell: "Begabte Bäume" (2023).

Auszeichnungen

Auszeichnungen u. a.: Rauriser Literaturpreis (72), Förderungspreis des österr. Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Sport (88), Erich-Fried-Preis (91), Kulturpreis St. Johann im Pongau (91), Berliner Literaturpreis (98), Literaturpreis der Stadt Wien (99), Preis der Literaturhäuser (03), Hausautor der Therme Vals (04), Stipendium der Calwer Hermann-Hesse-Stiftung (05), Telekom-Austria-Preis (06), Christine-Lavant-Preis (17), Heimrad-Bäcker-Preis (17).

Adresse

Alserstr. 47, Stg. 2, 1080 Wien, Österreich, Tel.: +43 1 4055978, Internet: www.bodohell.at

c/o Literaturverlag Droschl GmbH, Stenggstraße 33, 8043 Graz, Österreich, Tel.: +43 316 32-6404, E-Mail: literaturverlag@droschl.com, Internet: www.droschl.com



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