Die Äthiopierin Letesenbet Gidey gilt als eine der vielseitigsten Langstrecken-Läuferinnen ihrer Generation. 2019 wurde sie Vizeweltmeisterin über 10.000 m, im Jahr darauf verbesserte sie den Weltrekord über 5.000 m. Aber nicht nur auf der Bahn sorgte die junge Ausnahmeläuferin für Aufsehen – auf der Straße pulverisierte sie 2019 die Weltbestleistung über 15 km um über eine Minute und blieb als erste Frau unter 45 Minuten. Schon vorher hatte sie im Crosslauf für Aufsehen gesorgt, als sie viermal Gold bei U20-Weltmeisterschaften und später auch Medaillen im Erwachsenenbereich gewann.
Laufbahn
Als Kind ohne Begeisterung für LaufsportLetesenbet Gidey Tadesse begann ihre Karriere im Gegensatz zu vielen ostafrikanischen Laufstars nicht schon von klein auf – im Gegenteil: 2011 wurde die 13-Jährige von der Schule verwiesen, weil sie es abgelehnt hatte, in speziellen Sportklassen zu laufen. "Ich habe Rennen wirklich nicht gemocht [...] Ich habe meine Eltern zum Direktor geschickt in der Hoffnung, dass er mich wieder aufnimmt. Er stimmte zu unter der Bedingung, dass ich für die Schule bei Läufen startete. Ich habe widerstrebend zugestimmt aus dem einzigen Grund, wieder in die Schule zu dürfen" (worldathletics.org, 11.6.2015), beschrieb Gidey diese Zeit.
Schon 2011 feierte Gidey erste regionale Erfolge und wurde Zweite bei den Tigray Games über 3.000 m. "Diese Performance überzeugte mich, dass ich eine Zukunft in der Leichtathletik haben könnte" (ebd.), erklärte sie rückblickend. Nach einem 44. Rang beim ersten Crossrennen 2012 trainierte sie gemeinsam mit ihrem Bruder, der sie auf dem Fahrrad begleitete, und wurde Ende 2012 äthiopische Schulmeisterin über 3.000 m sowie 2.000 m Hindernis.
Vierfache U20-Weltmeisterin im CrosslaufNachdem sie sich dem Trans Sport Club in Mekelle angeschlossen hatte, tauchte Gidey 2014 erstmals in den Statistiken des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF (später: World Athletics) auf, und zwar als sie bei den äthiopischen Meisterschaften in 16:19,30 Min. Dritte über 5.000 m wurde. 2015 wurde sie acht Tage nach ihrem 17. Geburtstag in Guiyang/China die jüngste Cross-Weltmeisterin der U20 in der Einzel- und Teamwertung seit 15 Jahren. Über Taktik und Renngestaltung hatte sie sich vorher keine Gedanken gemacht, so sagte sie: "Ich folgte einfach der Führungsgruppe und verließ mich auf meine Spurtfähigkeit am Ende" (worldathletics.org, 11.6.2015). Bei der Jugend-WM 2015 in Cali/Kolumbien verpasste sie über 3.000 m mit Bestzeit von 9:04,64 Min. Bronze nur um eine Zehntelsekunde.
Gidey wurde vom bekannten niederländischen Manager Jos Hermens unter die Fittiche genommen und startete 2016 vermehrt bei großen Events in Europa. So wurde sie bei der Golden Gala in Rom Vierzehnte. Bei den Cross-Weltmeisterschaften 2017 in Kampala/Uganda verteidigte sie über 6 km ihre U20-Titel erfolgreich und trat damit in die Fußstapfen von so erfolgreichen afrikanischen Läuferinnen wie Genzebe Dibaba und Faith Kipyegon. Zudem holte sie mit Äthiopien Team-Gold, ihre vierte Goldmedaille bei einer U20-WM.
Im Sommer 2017 konzentrierte sich Gidey auf die 5.000 m, wurde Zweite bei den Landesmeisterschaften und überzeugte als Dritte der Diamond-League-Meetings in Schanghai und Rom. Bei den Weltmeisterschaften in Rom hatte die 19-Jährige keine Chance gegen die Konkurrenz, als Elfte in 15:04,99 Min. verpasste sie ihre Bestzeit von Rom aber immerhin um eine halbe Minute. 2018 beschränkte sie sich auf vier Starts in der Diamond League, dabei wurde sie über 5.000 m Zweite in Eugene und Dritte in Rabat.
Vizeweltmeisterin über 10.000 m 2019 Bei ihren vielen Wettbewerben auf den Distanzen zwischen 3.000 m und 15 km gelang Letesenbet Gidey 2019 endgültig der internationale Durchbruch. Bei der Cross-WM im dänischen Aarhus startete sie erstmals bei den Erwachsenen und holte über 10,2 km Bronze, zudem gewann sie Team-Gold. Auf der Bahn steigerte sie den Afrikarekord über 3.000 m als Zweite des Diamond-League-Meetings im kalifornischen Palo Alto auf 8:20,77 Min., über 5.000 m lief sie beim DL-Finale in Brüssel in 14:29,54 Min. auf Rang zwei. Über 10.000 m sicherte sie sich den Titel bei den äthiopischen Meisterschaften, siegte bei der in Hengelo/Niederlande durchgeführten WM-Qualifikation (in 30:37,89 Min.) und steigerte sich bei den Weltmeisterschaften 2019 in Doha auf 30:21,23 Min., was ihr hinter der aus Äthiopien stammenden und für die Niederlande startenden Sifan Hassan (30:17,62 Min.) Silber einbrachte.
Im November 2019 stellte Gidey beim Zevenheuvelenloop (Siebenhügellauf) in Nijmegen mit 44:20 Min. eine neue Weltbestzeit über 15 km auf der Straße auf und blieb als erste Frau unter 45 Minuten. Damit steigerte sie die alte Bestmarke der Kenianerin Joyciline Jepkosgei um über eine Minute. Die 10-km-Marke passierte Gidey nach 29:43 Min., damit war sie genauso schnell wie der Weltrekord von Jepkosgei über diese Distanz. Die 10 km zwischen Kilometer 5 und 15 legte sie sogar in 29:13 Minuten zurück und damit schneller als der Bahn-Weltrekord von Almaz Ayana über diese Distanz (29:17,45 Min).
Weltrekord über 5.000 m 2020 In der Saison 2020 fanden aufgrund der Corona-Pandemie nur wenige Leichtathletikwettbewerbe statt. Gidey startete nur zweimal über 5.000 m, erstmals im August beim Diamond-League-Meeting in Monaco, wo sie sich über 5.000 m auf 14:26,57 Min. verbesserte und Zweite wurde. Beim "World Record Day" im Oktober im spanischen Valencia verbesserte sie mit 14:06,62 Min. den zwölf Jahre alten Weltrekord von Tirunesh Dibaba um mehr als vier Sekunden, ihre eigene Bestmarke sogar um 17 Sekunden.
Informationen und Meldungen zum weiteren Fortgang der Karriere siehe Journal
Persönliches
Letesenbet Gidey stammt aus Endameskel in der Region Tigray im Hochland Äthiopiens mit Bergen von über 3.000 m Höhe. Die 1,63 m große und 48 kg leichte Athletin wuchs gemeinsam mit drei Geschwistern auf der Farm ihrer Eltern auf. Die Provinz war über Jahre Schauplatz von militärischen Auseinandersetzungen, bis Ende Januar 2021 flohen laut Welthungerhilfe über eine halbe Million Menschen vor den Kämpfen, 2,3 Mio. Menschen waren lt. UN in Tigray auf humanitäre Hilfe angewiesen. Gidey, gefördert von Trainer Haile Eyasu beim Verein Trans Ethiopia, lebt in einem Trainingscamp in Mekelle und kommt nur zu Wettkämpfen in die Hauptstadt Addis Abeba. Zudem hält sie sich oft in den Niederlanden bei ihrem einflussreichen Manager Jos Hermens auf. Dank ihrer Erfolge kam sie als Laufprofi bereits zu lukrativen Prämien und Startgeldern.
Adresse
c/o Ethiopian Athletics Federation, Gurd Shola, 13336 Addis Abeba, Äthiopien, Tel.: +251 116 479579, E-Mail: communication.eaf@gmail.com, Internet: http://eaf.org.et/
c/o Global Sports Communication, Agent Jos Hermens, Snelliusstraat 10, 6533 NV Nijmegen, Tel.: +31 24 3515077, E-Mail: jos@gscmail.nl, Internet: www.globalsportscommunication.nl
Karriere in Zahlen
Stand: 25.05.2021
Erfolge:
Weltmeisterschaften:
2017:
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Elfte 5.000 m
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2019:
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Zweite 10.000 m
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Diamond League:
2017:
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Dritte Schanghai, Rom 5.000 m
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2018:
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Zweite Eugene, Dritte Rabat 5.000 m
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2019:
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Zweite Palo Alto 3.000 m, Zweite Brüssel 5.000 m
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2020:
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Zweite Monaco 5.000 m
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Cross-Weltmeisterschaften:
2015:
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Siegerin U20 Einzel und Team
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2017:
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Siegerin U20 Einzel und Team
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2019:
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Dritte Einzel, Siegerin Team
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Jugend-WM (U18):
Äthiopische Meisterschaften:
2014:
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Dritte 5.000 m
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2017:
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Zweite 5.000 m, Juniorenmeisterin Crosslauf
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2019:
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Meisterin 10.000 m
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Rekorde:
2016:
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Afrikan. Juniorenrekord 5.000 m
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2018:
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Afrikarekord
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2019:
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Weltbestzeit 15 km Straße 44:20 Min.
Afrikarekord 3.000 m
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2020:
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Weltrekord 5.000 m 14:06,62 Min.
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Leistungsentwicklung:
Jahr:
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5.000 m
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2014:
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16:19,30 Min.
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2015:
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15:39,83 Min.
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2016:
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14:45,63 Min.
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2017:
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14:33,32 Min.
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2018:
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14:23,14 Min.
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2019:
|
14:29,54 Min.
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2020:
|
14:06,62 Min.
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Persönliche Bestleistungen:
1.500 m:
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4:11,11 Min. (2017)
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3.000 m:
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8:20,27 Min. (2019)
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5.000 m:
|
14:06,62 Min. (2020)
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10.000 m:
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30:21,23 Min. (2019)
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10 km Straße:
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33:55 Min. (2019)
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15 km Straße:
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44:20 Min. (2019)
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Journal
Ergänzungen aus MA-Journal. Die nachfolgenden Meldungen werden bei der nächsten redaktionellen Bearbeitung in den Text integriert.
8. Juni 2021: Zwei Tage nach ihrem Weltrekordlauf verliert Sifan Hassan die Bestmarke über 10.000 m an die Äthiopierin Letesenbet Gidey. Gidey verbessert den Weltrekord bei den äthiopischen Trials in Hengelo auf 29:01,03 Min. Damit hält Gidey die Rekorde über 5.000 m und über 10.000 m.
23. Juli 2021 - 8. August 2021: Olympische Sommerspiele in Tokio (Japan), Leichtathletik: Sifan Hassan gewinnt mit einer Zeit von 29:55,32 Min. über 10.000 m die Goldmedaille. Letesenbet Gidey landet mit 30:01,72 auf dem dritten Platz hinter Kalkidan Gezahegne. Konstanze Klosterhalfen schafft es mit einer Zeit von 31:01,97 Min. auf den achten Platz.
24. Oktober 2021: Leichtathletik, Halbmarathon in Valencia: Letesenbet Gidey stellt einen neuen Weltrekord über die Halbmarathon-Distanz auf. In 1:02:52 Stunden unterbietet sie die bisherige Bestmarke von Ruth Chepngetich um 70 Sekunden.
15. Juli 2022 - 24. Juli 2022: Leichtathletik, Weltmeisterschaft in Eugene/Oregon (USA): Gidey Letesenbet gewinnt in 30:09,94 Min. den Titel über 10.000 m. Silber geht an Hellen Obiri (30:10,02 Min.).
9. Juni 2023: Leichtathletik, Diamond League, 4. Station in Paris (Frankreich): Faith Kipyegon verbessert bei ihrem Sieg über 5.000 m den Weltrekord auf 14:05,20 Min. Bisherige Rekordhalterin war Letesenbet Gidey (14:06,62 Min.).
19. August 2023 - 27. August 2023: Leichtathletik, Weltmeisterschaften in Budapest (Ungarn): Gudaf Tsegay sichert sich in 31:27,18 Min. den Titel über 10.000 m. Silber geht an Letesenbet Gidey (31:28,16 Min.).
5. November 2023: Leichtathletik, Marathon in New York: Auf der letzten von sechs Stationen der Marathon Major Series gewinnt Tamirat Tola in 2:04:58 Std. Bei den Frauen ist Hellen Obiri (2:27:23 Std.) die Schnellste, die bereits den Boston-Marathon 2023 gewonnen hat. Zweite wird Letesenbet Gidey. Bei den Rollstuhlwettbewerben ist Marcel Hug der Schnellste, der damit alle sechs Stationen der Major Series 2023 für sich entscheidet.
Dezember 2023: Der Welt-Leichtathletikverband World Athletics zeichnet sechs Athleten als "World Athletes of the Year" aus. Bei den Männern gewinnen Noah Lyles, Armand Duplantis und Kelvin Kiptum. Als Welt-Leichtathletinnen werden Faith Kipyegon, Yulimar Rojas und Tigist Assefa geehrt. Letesenbet Gidey erhält den International Fair Play Award.
25. Mai 2024: Leichtathletik, Diamond League, 5. Station in Eugene (USA): Beatrice Chebet verbessert über 10.000 m den Weltrekord auf 28:54,14 Min. Bisherige Weltrekordhalterin war Letesenbet Gidey (29:05,92 Min.).