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Heiner Wilmer

deutscher katholischer Theologe; Bischof von Hildesheim; Dr. theol.
Geburtstag: 9. April 1961 Schapen
Nation: Deutschland - Bundesrepublik

Internationales Biographisches Archiv 43/2020 vom 20. Oktober 2020 (se)


Blick in die Presse

Herkunft

Heiner Wilmer wurde am 9. April 1961 in Schapen, einem Dorf im Emsland, geboren. Dort wuchs er auf einem Bauernhof auf.

Ausbildung

Nach dem Abitur am Leoninum in Handrup (1980), einem Gymnasium in Trägerschaft der Herz-Jesu-Priester, trat W. ins Noviziat des Ordens in Freiburg ein. Der Zeit als Novize 1980-1982 folgte 1985 die Ablegung der Ewigen Profess. 1987 weihte ihn der Freiburger Erzbischof Oskar Saier zum Priester. 1981-1986 studierte er Theologie in Freiburg und Romanistik in Paris. 1986-1987 absolvierte er eine pastoraltheologische Ausbildung im Priesterseminar St. Peter im Schwarzwald. 1987-1989 folgte ein Studium der französischen Philosophie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und 1991 die Promotion in Fundamentaltheologie in Freiburg mit einer Dissertation über "Le philosophe du concret" des französischen Kirchenphilosophen Maurice Blondel. 1991-1993 schloss sich ein weiteres Studium (Geschichte auf Lehramt) an, abgeschlossen mit dem Ersten Staatsexamen in Theologie und Geschichte in Freiburg (1993) und dem Zweiten Staatsexamen (1995) am Studienseminar Meppen.

Wirken

Schuldienst Nach einem Referendariat am Windthorst-Gymnasium in Meppen (1993-1995) arbeitete W. bis 1997 als Lehrer für Religion, Geschichte und Politik sowie als Schulseelsorger an der Liebfrauenschule in Vechta. 1997-1998 war er Lehrer für Deutsch und Geschichte an einer Jesuiten-High-School in der New Yorker Bronx. 1998-2007 wirkte er als Schulleiter an Gymnasium Leoninum Handrup, an dem er selbst Schüler gewesen war.

Ordensoberer 2007 wurde W. Provinzial der deutschen Ordensprovinz der Herz-Jesu-Priester in Bonn. Der 1878 entstandene Orden – nach seinem französischen Gründer Léon Dehon auch "Dehonianer" genannt – hatte ihn in seinem Werdegang stark geprägt. 2013 veröffentlichte er das Buch "Gott ist nicht nett", in dem er über seinen Glauben reflektierte und auch Glaubenszweifel einräumte. 2015 rückte W. als Generaloberer in Rom an die Spitze des Ordens, der sich v. a. der Bildungs- und Sozialarbeit widmet. In seiner Führungsaufgabe habe er sich, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung (1.9.2018), von der Maxime "Präsenz statt Repräsentation" des französischen Philosophen Maurice Blondel leiten lassen. Mit einem fordernden wie fördernden Führungsstil als Vorgesetzter von rd. 2.000 Dehonianern in 43 Ländern auf allen fünf Kontinenten habe er eine neue Dynamik in den Orden gebracht, so Beobachter. So gründete er im Ostteil Berlins ein mit Dehonianern aus aller Welt besetztes Kloster, das in einem weitgehend atheistischen Umfeld Zugang zu christlichem Leben anbot. In Rom förderte er die hohe Bildung und Weltläufigkeit der Ordensleute, die mindestens zwei Sprachen sprechen und teilweise ein Zweitstudium absolvieren sollten. "Frömmer, intellektueller, näher beim Menschen" habe die Devise seines Handelns gelautet (FAZ, 1.9.2018).

Bischof von Hildesheim Im April 2018 wurde W. zum 71. Bischof von Hildesheim ernannt und erhielt am 1. Sept. 2018 im Mariendom zu Hildesheim die Weihe. Der damals 57-Jährige folgte auf Norbert Trelle, der im Sept. 2017 aus Altersgründen zurückgetreten war. Papst Franziskus persönlich habe ihn auf dem Handy angerufen und bestärkt, die Berufung anzunehmen, so die Süddeutsche Zeitung (8.4.2018). Das Bistum Hildesheim mit knapp 610.000 Katholiken reicht vom Harz bis an die Nordsee und gilt als Diasporagebiet. Nach mehreren Missbrauchsvorwürfen war die Glaubwürdigkeit der dortigen Kirche ins Wanken geraten. So war u. a. dem einstigen Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen der Missbrauch von Ministranten vorgeworfen worden. W. setzte eine unabhängige, interdisziplinär zusammengesetzte Expertengruppe ein, die Zugang zu allen relevanten Akten des Bistums erhielt. In diesem Zusammenhang sagte W., der Machtmissbrauch gehöre "zur DNA der katholischen Kirche", was ihm massive Kritik eintrug. "Wir müssen die Sündhaftigkeit der Kirche sehen und auch theologisch angehen", sagte er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (12.6.2019).

Der polyglotte Ordensmann, der mehr als fünf Sprachen spricht, galt vielen Katholiken in Deutschland als Hoffnungsträger. "Es gibt in Deutschland derzeit nicht viele sprachfähige Oberhirten, die wie er theologischen Tiefgang und akademische Finesse mit einer bodenständigen Art zu verbinden wissen und darüber hinaus auch noch über erstklassige internationale Kontakte bis in den Vatikan hinein verfügen", so der Norddeutsche Rundfunk (30.8.2019). Im Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, der innerhalb der deutschen Bischöfe umstritten war und auf Widerstand aus dem Vatikan stieß, nahm er eine reformfreudige Position ein und galt damit als Vertreter des sog. Synodalen Wegs. Mit diesen Positionen meldete er sich deutlich zu Wort; so forderte er in einem Beitrag in der Wochenzeitung DIE ZEIT (3.6.2020) eine "spirituelle Revolution" der Kirche. Der Synodale Weg, der sich u. a. mit Fragen der katholischen Sexualmoral, dem Zölibat und der Rolle der Frau in der Kirche befassen soll, wurde vom bis 2020 amtierenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), dem Münchner Kardinal Reinhard Marx, befördert, aber u. a. von dem Kölner Bischof Rainer Maria Woelki abgelehnt. Als Marx im Febr. 2020 seinen Rückzug von der Spitze der DBK ankündigte, kam auch W. ins Gespräch als möglicher neuer Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Auf ihrer Frühjahrsvollversammlung im März 2020 wählten die katholischen Bischöfe jedoch den Limburger Bischof Georg Bätzing, der ebenfalls als Vertreter des Synodalen Weges galt, zu ihrem Vorsitzenden.

Werke

Veröffentlichungen: "Mystik zwischen Tun und Denken: ein neuer Zugang zur Philosophie Maurice Blondels" (92), "Gott ist nicht nett" (13), "Hunger nach Freiheit. Mose – Wüstenlektionen zum Aufbrechen" (18), "Trägt. Die Kunst, Hoffnung und Liebe zu glauben" (20), "Mit der Bibel durch das Jahr" (21).

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften/Ämter: Mitglied der Kommission für Wissenschaft und Kultur der Deutschen Bischofskonferenz, Mitglied der Deutschen Kommission Justitia et Pax.

Adresse

c/o Bistum Hildesheim, Bischofshaus, Domhof 25, 31134 Hildesheim, Tel.: 05121 307-130, E-Mail: bischofshaus@bistum-hildesheim.de, Internet: www.bistum-hildesheim.de



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