André Malraux
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Internationales Biographisches Archiv
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW
André Malraux stammte aus einer wohlhabenden Pariser Bankiersfamilie.
Er besuchte das Lycée Condorcet und studierte anschließend an der École nationale des langues orientales vivantes die Fächer Archäologie, Sanskrit und Chinesisch. Verschiedene Reisen führten ihn Anfang der zwanziger Jahre nach Afrika und Indochina.
Die Spanne des öffentlichen Wirkens von M. reichte von der Agitation des intellektuellen Abenteurers und engagierten antikolonialistisch/antifaschistischen Revolutionärs über die Résistance bis in hohe Ämter der gaullistischen V. Republik. Geachtet und verehrt wurde er aber nicht nur als tätiger Zeuge eines halben Jahrhunderts oder Inkarnation des politisch engagierten Künstlers, sondern als einer der bedeutendsten Schriftsteller seiner Zeit, der wie kein anderer spannungsgeladene Handlung, politische Auseinandersetzung und philosophische Fragestellungen in seinen Werken miteinander zu verbinden wußte.
1923 ging M. zu Ausgrabungsarbeiten nach Kambodscha und versuchte, wertvolle Altertümer nach Europa zu bringen. Die dortige französische Verwaltung gab die Kunstwerke jedoch nicht frei und verurteilte ihn zu drei Jahren Gefängnis. Verschiedene namhafte französische Schriftsteller erwirkten eine Aufhebung des Urteils beim Pariser Kassationshof. Zu diesem Zeitpunkt hatte M. bereits durch seine erste Prosa "Lunes en papier" (1921) einen geachteten Namen in der französischen Literaturszene. 1925 reiste M. nach China, wurde 1926 Mitglied des chinesischen Zwölferkomitees, zu dem auch Chiang Kai-shek gehörte, und Propagandakommissar der Kantoner Regierung. 1927 verließ er China nach dem Bruch mit Chiang Kai-shek und kehrte über Afghanistan und Persien (Iran) nach Frankreich zurück. In Paris arbeitete er daraufhin im Verlag Gallimard als Lektor und Redakteur. Er übernahm zudem die Leitung der "Nouvelle Revue Française".
Zusammen mit André Gide reiste M. als aktiver Antifaschist nach dem Reichstagsbrand (1933) 1934 nach Berlin, um bei Hitler die Freilassung des angeblichen Brandstifters Dimitroff zu erwirken und gegen den Prozeß zu protestieren. Auch trat er damals als Versammlungsredner für die Befreiung des KPD-Führers Ernst Thälmann auf und wurde Vorsitzender des antifaschistischen Weltkomitees. Während des spanischen Bürgerkrieges rüstete er mit gesammelten Geldern eine eigene Fliegerstaffel aus und warb in den USA für die Republikaner.
Als im Aug. 1939 die Sowjetunion den Nichtangriffspakt mit Deutschland schloß, verließ M. die KP und trat als Soldat in die französische Panzerwaffe ein. Er geriet in deutsche Kriegsgefangenschaft, konnte entfliehen und ging als "Oberst Benger" zur Résistance. M. wurde ergriffen, entkam aber während der Invasion und rief die Brigade "Elsaß-Lothringen" ins Leben, mit der er zu Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland kämpfte. In dieser Zeit baute er eine enge persönliche Verbindung zu General de Gaulle auf. Manche M.-Zeitgenossen und -Biographen werteten später das jeweilige Engagement von M. in China, Spanien und bei der Résistance nicht ganz so dramatisch wie er selbst. M.s Angebot, 1971 eine Internationale Brigade für Bangladesch zu schaffen, wurde öffentlich nicht mehr ernst genommen.
Als de Gaulle seine Regierung bildete, erhielt M. im Nov. 1945 das Informationsministerium übertragen (bis 1946). Nach dem Rücktritt des Generals nahm er an der Gründung der gaullistischen RPF (Rassemblement du peuple français) teil und war zeitweilig Mitglied der Parteileitung. Als de Gaulle an die Macht zurückkehrte, wurde er Anfang Juni 1958 zunächst Informationsminister, dann im Kabinett Michel Debré vom 9. Jan. 1959 Staatsminister für kulturelle Angelegenheiten. M. blieb auch nach de Gaulles Rücktritt und dem der Regierung Couve de Murville am 20. Juni 1969 im Amt. Er wurde dann im nachfolgenden Kabinett Chaban-Delmas durch Edmond Michelet ersetzt.
Als Minister für kulturelle Angelegenheiten und als persönlicher Vertrauter von de Gaulle zeichnete M. zehn Jahre lang für die Kulturpolitik seines Landes verantwortlich. Politische Beobachter attestierten ihm in dieser Zeit eine "genialische Sprunghaftigkeit" im Amt, die sich eher ungünstig auf die Verwaltungsarbeit auswirkte. Dem französischen Theater und dem französischen Film aber diente sie ebenso wie der Architektur (M. brachte ein Gesetz zum Schutz des historischen Kerns von sechzehn Städten durch), den Museen oder den Fassaden von Paris, die er im Rahmen eines allgemeinen "Fassadenputzes" hellwaschen ließ. M. initiierte weiter die "Maisons de la Culture" zur kulturellen Dezentralisierung.
Die literarischen Werke, die M.s Ruhm als ersten "engagierten" Schriftsteller begründeten und festigten, erschienen in den 20er Jahren. Dem vielbeachteten Essayband "La tentation de l'Occident" (1926) folgte 1928 sein erster großer Roman "Les conquérants", der in Kanton spielt, ein Welterfolg wurde und in 11 Sprachen Verbreitung fand. Auch sein 1933 herausgekommenes, mit dem "Prix Goncourt" ausgezeichnetes Hauptwerk "La condition humaine" (dt. So lebt der Mensch) spielt im Bürgerkriegs-China. M.s Erfahrungen im spanischen Bürgerkrieg gewannen in dem Roman "L'espoir" (1937 verfilmt) Gestalt. In den 40er Jahren veröffentlichte M. ein auf mehrere Bände berechnetes Romanwerk "La lutte avec l'ange", dessen erster Teil das philosophische Prosagedicht "Les noyers de l'Altenburg" (1943) war, ferner eine dreibändige "Psychologie der Kunst" (1947-1950), in der er die Bedeutung der künstlerischen Erfahrung auf die historische Entwicklung des Menschen untersuchte, einen weiteren Essayband über Goya (1950) und das dreibändige Werk "Le musée imaginaire de la sculpture mondiale". 1957 gab M. den ersten Band von "La métamorphose des dieux" heraus, in dem er die Summe seiner lebenslangen Erfahrungen an der Kunst aller Völker zog und zudem seine Idee vom "Imaginären Museum" in einer Übersicht über die Geschichte der Weltkunst aufschlüsselte. Im Jahre 1976, kurz vor seinem Tode, schloß er dieses große Werk ab, und 1979 kam es in drei Bänden in deutscher Übersetzung unter dem Titel "Geist der Kunst" heraus.
1967 publizierte M. nach einer langen Ostasienreise seine berühmten, 1968 auch ins Deutsche übersetzten "Antimemoiren". Von den vier Bänden seiner "Antimemoiren II" erschien 1971 zuerst eine Erinnerung an de Gaulle mit dem Titel "Les chênes qu'on abat" (dt. Eichen, die man fällt). Es folgten die Erinnerungen an Picasso 1974 ("La tête obsidienne"; dt. Der Obsidiankopf) und im selben Jahr mit "Lazare" der Bericht über eine lebensbedrohende Krankheit. Abgeschlossen wurden die "Antimemoiren II" 1975 mit "Hôtes de passage", einem Band, der u. a. ein langes Gespräch mit dem Dichter und Präsidenten Senegals, Leopold Senghor, enthält.
Der Tod, um dessen geistige Bewältigung M. während seines ganzen Lebens rang, ereilte ihn kurz nach seinem 75. Geburtstag. Auf den Tag genau zwanzig Jahre später, am 23. Nov. 1996, ließ Staatspräsident Jacques Chirac M.s sterbliche Überreste aus dem Familiengrab ins Panthéon und damit in jenes nationale Heiligtum überführen, das Ludwig XV. zum Dank für seine Genesung als Kirche hatte erbauen lassen. Die feierliche Aufnahme in die Reihe der französischen Nationalhelden begründete Chirac u. a. mit den Worten: "Weil Sie verstanden haben, unsere Träume zu leben und in uns wach zu halten, nehmen Sie Platz, André Malraux, im Panthéon der Republik" (zit. in: WELT, 25.11.1996).
M. starb im Alter von 75 Jahren an den Folgen einer Lungenembolie. Er war in erster Ehe mit der deutsch-jüdischen Schriftstellerin und Kunstkritikerin Clara Goldschmidt (+ 1982) und in zweiter Ehe mit Madeleine Lioux verheiratet. Aus den beiden Ehen gingen drei Kinder hervor. Zwei Söhne verunglückten 1961 tödlich. M.s letzte Lebensgefährtin war die Schriftstellerin Louise de Vilmorin (+ 1970). Auf ihrem Schloß in Verrières-le-Buisson lebte M. bis zu seinem Tode.
Veröffentlichungen u. a.: "Lunes en papier" (21), "La tentation de l'Occident" (26; Ess.), "Les conquérants" (28; Roman), "La voie royale" (30; Roman), "La condition humanine" (33; Roman), "L'espoir" (37; Roman), "La lutte avec l'ange" (43 und 48), "Goya" (47; Ess.), "La psychologie de l'art" (47-50; 3 Bde.; 51 unter dem Titel "Les voix du silence" erschienen), "Saturne" (50; Ess.), "Le musée imaginaire de la sculpture mondiale" (52-55), "La métamorphose des dieux" (57; Ess.), "Antimémoires I" (67), "Le triangle noir" (70; Ess.), "Les chênes qu'on abat" (71; Erinnerungen), "Le miroir des Limbes" (72), "La tête d'obsidienne" (74; Ess.), "Lazare" (74; Erinnerungen), "L'homme précaire et la littérature" (77).
2007:
2010:
2014: Walter Grasskamp: "
M. erhielt zahlreiche Kriegs- und Widerstandsorden, war Ritter der Ehrenlegion, Ehrendoktor der Universitäten Benares und Oxford und Inhaber vieler in- und ausländischer Auszeichnungen.
Er gehörte zahlreichen einflußreichen Gremien auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Kunst an.
Letzte Adresse: Château de Verrières, 91 Verrières-le-Buisson, Frankreich