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Wissen, das zählt.


Kindler

Ptōcholeōn

Hauptgattung Epik / Prosa
Untergattung Reimprosa / Verserzählung

(griech.; Der arme Leōn) – Die anonyme Versdichtung in volkstümlicher Sprache ist in drei stark voneinander abweichenden Versionen überliefert. Die Urfassung geht möglicherweise auf das 12. Jh. zurück, während die vollständigste Version aus dem 13. bis 15. Jh. stammen dürfte. Einige Fassungen führen den Titel Peri tu gerontos tu phronimu mutzokuremenu (Über den braven, schimpflich geschorenen Greis) oder Bios kai politeia tinos dokimōtatu kai sophōtatu gerontos (Leben und Wandel eines vielerfahrenen und hochweisen Greises).

Leōn, ein reicher und weiser alter Mann, verliert bei einem Korsareneinfall sein ganzes Vermögen und bittet seine Söhne, ihn als Sklaven zu verkaufen. Dies geschieht auch, und er kommt in den Königspalast, wo er zunächst ohne Achtung behandelt wird, bis er Gelegenheit findet, seine Weisheit zu zeigen: Er erklärt einen vom König teuer erworbenen Edelstein für unrein und wertlos, was sich auch als richtig herausstellt; er weist nach, dass ein Pferd, für das eine hohe Summe gezahlt wurde, mit Büffelmilch gesäugt wurde und daher das Aussehen eines Büffels hat; schließlich entdeckt er, dass eine schöne Frau, die der König zur Gemahlin nehmen will, von niedriger Abkunft und zweifelhafter Moral ist. Als der König, ob solcher Weisheit erstaunt, ihn nach seiner eigenen Herkunft befragt, lässt sich Leōn die eidliche Zusicherung geben, dass ihm kein Haar gekrümmt werde, und eröffnet ihm dann, er sei der uneheliche Sohn eines Bäckers. Am Ende entlässt ihn der König mit reichen Geschenken in die Freiheit.

Zweifellos ist die Fabel orientalischen Ursprungs. Sie dürfte derselben Umgebung entstammen wie die Märchen von Tausendundeine Nacht und andere, diesen verwandte Erzählungen. Derselbe Stoff wie dem Ptōcholeōn liegt dem ersten Teil des altfranzösischen Versepos Éracle von Gautier d'Arras (12. Jh.) zugrunde, der die Geschichte übrigens am Hof des byzantinischen Kaisers Phōkas (602–610) spielen lässt. Im zweiten Teil, der wirklich einen historischen Hintergrund hat, wird der Sklave Eraclius selbst Kaiser: Hērakleios (Regierungszeit 610–641).

Das byzantinische Werk ist statt in dem üblichen ›politischen‹ Fünfzehnsilbler in dem selteneren trochäischen Achtsilbler geschrieben. Die Sprache wirkt lebendig und farbig, die Schilderungen sind drastisch, und die Erzählung hat trotz häufiger Weitschweifigkeit den Reiz des Märchenhaften.

Ausg.:Kritiki ekdosi tis istorias Ptocholeontos, Hg. G. Kechagioglu, 1978.

Lit.:C. Gidel: Nouvelles études de la littérature grecque moderne, 1878, 385–400. • G. A. Megas: I peri Ptocholeontos diigisis kai ta schetika pros aftin paramythia, in: Laografia 16, 1956, 3–20. • H.-G. Beck: Geschichte der byzantinischen Volksliteratur, 1971, 148–150.

Linos Politis

Ptōcholeōn

siehe auch

Kindler


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