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Nezha Bidouane

marokkanische Leichtathletin
Geburtstag: 18. September 1969
Klassifikation: Lauf (Leichtathletik)
Nation: Marokko
Erfolge/Funktion: Weltmeisterin 1997, 2001
WM-Zweite 1999
Olympiadritte 2000

Internationales Sportarchiv 39/2002 vom 16. September 2002 (st)


Als erste Frau aus Marokko gewann Nezha Bidouane 1997 Gold bei einer Leichtathletik-Weltmeisterschaft. 2001 wiederholte sie diesen Triumph und war damit zugleich die erste 400-m-Hürdenläuferin der Welt, der ein zweimaliger Triumph über diese Distanz gelang. Zwischen den WM-Siegen lagen der Gewinn der Silbermedaille bei der WM 1999 und der Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 2000. Mit diesen Medaillen sowie zahlreichen weiteren Erfolgen seit 1990 erwies sich die 1,74 m große und 65 kg schwere Marokkanerin als würdige Nachfolgerin ihres Vorbilds Nawal el Moutawakel, die 1984 überraschend Olympiagold für Marokko über 400 m Hürden gewonnen hatte. Die Krönung ihrer Laufbahn war deshalb auch die Überreichung der WM-Goldmedaille 2001 in Edmonton durch ihre "Vorgängerin", die 1984 (abgesehen von den weißen Südafrikanerinnen) als erste Afrikanerin Olympiasiegerin und 1998 IOC-Mitglied geworden war.

Laufbahn

Der Olympiasieg Nawal el Moutawakels 1984 in Los Angeles über 400 m Hürden löste in ihrem Heimatland Marokko große Begeisterung aus. Der Triumph der Kaufmannstochter aus Casablanca, die in Paris zur Leichtathletik gefunden hatte, wurde schon damals als Sieg für den Frauensport in den arabischen Ländern gefeiert. Viele Mädchen wollten der Läuferin nacheifern - zu ihnen gehörte auch Nezha Bidouane, die kurz nach den Olympischen Spielen von Los Angeles ihren 15. Geburtstag feierte. Schon als Juniorin zeigte sie ihr herausragendes Talent auf allen Laufstrecken zwischen 100 und 400 m, mit und ohne Hürden. 1987 versuchte sie sich erstmals über die Stadionrunde mit Hürden und lief auf Anhieb 65,22 Sek. Ein Jahr später unterbot sie erstmals die Ein-Minuten-Grenze über 400 m Hürden.

Ihren ersten internationalen Erfolg feierte sie bei den Afrikameisterschaften 1990, als sie über 400 m Hürden Gold und über 100 m Hürden Silber gewinnen konnte. Nicht nur über beide Hürdenstrecken, sondern sogar noch über 100 m, 200 m und 400 m gewann sie von 1989 bis 1995 über ein Dutzend Landesmeisterschaften, zudem wurde sie 1992 und 1995 über diese Strecken insgesamt neunmalige arabische Meisterin.

Die beeindruckende Vielseitigkeit hinderte sie aber jahrelang an der Entwicklung ihrer eigentlichen Stärke über 400 m Hürden. Bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften schied sie bis 1997 regelmäßig spätestens im Halbfinale aus. Lediglich im Weltcup verbuchte sie als Vertreterin Afrikas mit Rang sechs (1992) und fünf (1994) gute Platzierungen. Obwohl sie sich schon 1992 der 55-Sekunden-Marke über 400 m Hürden auf acht Hundertstel genähert hatte, gelang ihr der endgültige Durchbruch erst im WM-Jahr 1997. Innerhalb eines Jahres steigerte sie sich von 55,31 auf 52,97 Sekunden. Vor Beginn der Weltmeisterschaften in Athen hatte sie die Distanz nie in einer Zeit unter 54 Sekunden zurückgelegt. Umso überraschender kam dann für alle Experten ihr Finalauftritt in Athen: In 52,97 Sekunden gewann sie Gold und stellte eine Jahresweltbestzeit auf.

Die Fachwelt wertete den Sieg als Sensation, völlig verblüfft waren die Favoritinnen Deon Hemmings und Kim Batten: "Irritiert warfen sie noch einen Blick hinüber zur Siegerin, die sich auf der Ehrenrunde, vor Freude tanzend, von ihren Landsleuten und von den Zuschauern feiern ließ. Gerade so, als wollten sie sagen: 'Darf die das?'", wurde in dem Buch "Leichtathletik-WM '97" (Copress-Verlag München) die Szene beschrieben. Schon bei den Sportfesten in Rom, Nürnberg und Bari hatte die Marokkanerin mit Siegen auf sich aufmerksam gemacht, dennoch überraschte sie alle mit ihrem fulminanten Endspurt. Dementsprechend äußerte sich die Siegerin im Ziel: "Den Sieg erwartet? Er kam erst auf den letzten 30 m näher ..."

Beim Weltcupfinale 1998 in Johannesburg schlug Bidouane erneut die renommierten Stars Batten und Hemmings. Ein Jahr später in Sevilla schien sie auf dem Weg zur Titelverteidigung, doch diesmal wurde sie selbst überrascht von der Kubanerin Daimi Pernia. Nach dem Zieleinlauf hatte die Marokkanerin bereits den Blumenstrauß der Siegerin entgegengenommen und sich auf die Ehrenrunde begeben, als sie von der Nachricht gestoppt wurde, dass sie im Ziel noch um eine Hundertstelsekunde von der Außenseiterin aus Kuba abgefangen worden war. Nach der Verkündung des Endergebnisses verkroch sie sich unter einer marokkanischen Flagge auf der Tartanbahn, bis sie von der Siegerin getröstet wurde. Pernia siegte trotz eines Stolperers an der letzten Hürde in 52,89 Sek. vor Bidouane, die in 52,90 Sek. noch einen neuen Afrikarekord aufstellte.

Auch der Traum Nezha Bidouanes, den Olympiasieg ihres Idols el Moutawakel nach 16 Jahren zu wiederholen, erfüllte sich nicht. Bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney musste sie am Ende mit Platz drei und Bronze zufrieden sein. Mit der "Quereinsteigerin" Irina Priwalowa siegte erneut eine Außenseiterin vor Deon Hemmings aus Jamaika und eben Nezha Bidouane. In 53,57 Sek. blieb die Nordafrikanerin hinter früheren Bestzeiten zurück.

Bei der WM 2001 in Edmonton glückte Bidouane nicht nur die WM-Revanche, sondern als erste 400-m-Hürdenläuferin überhaupt gewann sie zum zweiten Mal Gold auf dieser Distanz. "Die Marokkanerin hatte die beste Renneinteilung und einen unwiderstehlichen Spurt auf der Zielgeraden", kommentierte das Fachblatt Leichtathletik (33/02) das Finale. "Ich habe so sehr auf diesen Moment gewartet, seitdem ich in Sevilla gegen Pernia verloren habe", meinte sie selbst nach ihrer ausgiebigen Freudenfeier im WM-Stadion. Entscheidend für den Erfolg sei die Taktik ihres Trainers gewesen, meinte "der Star der Zielgeraden" (ARD, Reporter Gerd Rubenbauer): "Ich sollte langsam angehen und dann zum Ende hin immer weiter beschleunigen", erklärte die Weltmeisterin ihren Lauf.

Im Gegensatz zur Situation nach ihrem ersten WM-Gold war diesmal niemand überrascht: Schon bei den Sportfesten in Rom, Zagreb und Lausanne sowie bei den Francophonischen Spielen hatte sich Bidouane entscheidend durchgesetzt. In Edmonton lief sie in 53,34 Sek. Weltjahresbestzeit. Unvergesslich blieb für sie die Siegerehrung bei der WM: Die Goldmedaille überreichte ihr Nawal el Moutawakel, ihr Vorbild, deren Siegeslauf 1984 Auslöser wurde für ihre Sportkarriere.

Persönliches

Nezha Bidouane ist verheiratet mit Abdelaziz Sahere, dem Afrikameister 1990 über 300 m Hindernis, der 1995 mit der Weltklassezeit von 8:09,02 Min. seinen sechsten Landesrekord über diese Strecke aufstellte. Beide leben in der marokkanischen Hauptstadt Rabat, wo sie im Sportzentrum glänzende Trainingsbedingungen vorfinden. Die Doppelweltmeisterin genießt große Popularität in ihrem Heimatland, auch wenn sie mit weltbekannten Läufern wie Hicham el Guerrouj um die Gunst des Publikums konkurrieren muss.

Adresse

c/o Fédération Royale Marocaine d'Athlétisme, Rabat

Karriere in Zahlen

Erfolge (wenn nicht anders angegeben: 400 m Hürden)

Olympische Spiele:

1992: Halbfinalistin
1996: Halbfinalistin
2000: Dritte

Weltmeisterschaften:

1991: Halbfinalistin
1993: Vorlauf
1995: Vorlauf
1997: Siegerin
1999: Zweite
2001: Siegerin

Weltcup:

1992: Sechste
1994: Fünfte
1998: Siegerin

Afrikameisterschaften:

1990: Siegerin
Zweite 100 m Hürden
1998: Siegerin

Mittelmeerspiele:

1991: Siegerin
1993: Siegerin
1997: Siegerin

Arabische Meisterschaften:

1992: Siegerin 100 m, 200 m, 400 m, 100 m Hürden, 400 m Hürden
1995: Siegerin 100 m, 200 m, 100 m Hürden, 400 m Hürden

Francophonische Spiele:

2001: Siegerin

Landesmeisterschaften:

zahlreiche Siege seit 1988 über 100 m, 200 m, 400 m, 100 m Hürden, 400 m Hürden

Rekorde:

5 Afrikarekorde über 400 m Hürden (1997-2001)
zahlreiche Landesrekorde über 200 m, 400 m, 400 m Hürden

Leistungsentwicklung:

Jahr   400 m Hürden
1987:  65,20 Sek.
1988:  59,88 Sek.
1989:  59,45 Sek.
1990:  56,69 Sek.  (56,3 Sek.)
1991:  55,13 Sek.
1992:  55,08 Sek.
1993:  56,09 Sek.
1994:  55,19 Sek.
1995:  55,85 Sek.
1996:  55,31 Sek.
1997:  52,97 Sek.
1998:  53,23 Sek.  (52,96 Sek./Höhe)
1999:  52,90 Sek.
2000:  53,53 Sek.
2001:  53,34 Sek.

Bestzeiten:

100 m:              11,73 Sek.
200 m:              23,29 Sek.
400 m:              51,67 Sek.
800 m:            2:09,8 Min.
100 m Hürden:       13,55 Sek.
400 m Hürden:       52,90 Sek.



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