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Kevin Kühnert

deutscher Politiker; Generalsekretär der SPD (2021-2024); Vorsitzender der Jusos (2017-2021)
Geburtstag: 1. Juli 1989 Berlin
Nation: Deutschland - Bundesrepublik

Internationales Biographisches Archiv 49/2024 vom 3. Dezember 2024 (se)
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 07/2025


Blick in die Presse

Herkunft

Kevin Kühnert wurde am 1. Juli 1989 in Berlin geboren. Seine Eltern sind Beamte, der Vater im Finanzamt, die Mutter im Jobcenter. Bei der Wahl seines Vornamens ließen sich K.s Eltern vom englischen Fußballer Kevin Keegan inspirieren. In seiner Schulzeit spielte K. Handball beim VfL Lichtenrade.

Ausbildung

Nach dem Abitur, das er 2008 am Beethoven-Gymnasium in Berlin-Lankwitz ablegte, absolvierte K. ein Freiwilliges Soziales Jahr. Ein 2009 begonnenes Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin brach er ab. Ein 2016 begonnenes Studium der Politikwissenschaft an der Fern-Universität Hagen ließ er nach seiner Wahl zum Juso-Bundesvorsitzenden ruhen.

Wirken

Politisches Engagement in der SPDNeben und nach seinem Studium arbeitete K. in einem Callcenter, anschließend 2014-2016 für das Büro von Dilek Kalayci im Berliner Abgeordnetenhaus sowie 2016-2021 im Abgeordnetenbüro von Melanie Kühnemann-Grunow. Schon früh politisch interessiert und aktiv trat er 2005 – nach einem Schülerpraktikum im SPD-Kreisbüro Steglitz-Zehlendorf – in die SPD ein. 2012-2015 war er Landesvorsitzender der Jusos Berlin, der Nachwuchsorganisation der SPD. Außerdem engagierte er sich kommunalpolitisch als Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Bezirk Tempelhof-Schöneberg. 2015 wurde er stellv. Juso-Bundesvorsitzender und setzte seine Schwerpunkte in der Steuer-, Renten- und Strukturpolitik sowie bei den Themen Rechtsextremismus und Migration. Außerdem war er für die Social-Media-Arbeit der Jungsozialisten zuständig.

Juso-VorsitzenderAm 24. Nov. 2017 wählte der Juso-Bundeskongress in Saarbrücken K. mit 225 von 297 Stimmen zum Vorsitzenden der rd. 70.000 Mitglieder zählenden SPD-Nachwuchsorganisation. Er wurde damit Nachfolger von Johanna Uekermann, die sich nicht noch einmal zur Wahl gestellt hatte.

Der sich zur linken Juso-Strömung "Netzwerk Linkes Zentrum" zählende K. erregte mit seiner klaren Positionierung gegen eine Neuauflage einer Großen Koalition ("GroKo") von CDU/CSU und SPD nach der Bundestagswahl vom Sept. 2017 bundesweit Aufsehen. Aufgrund des Wahlergebnisses ergaben sich langwierige Koalitionsverhandlungen, weil CDU/CSU (32,9 %/-8,6) und SPD (20,5 %/-5,2) in der Wählergunst dramatisch abgestürzt waren, während die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) mit 12,6 % als drittstärkste Kraft ins Parlament einzog. Nachdem Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU, FDP (10,7 %) und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (8,9 %) gescheitert waren, erklärte sich SPD-Chef Martin Schulz entgegen seiner ursprünglichen strikten Absage doch zu Koalitionsverhandlungen mit der Union für eine Neuauflage der Großen Koalition bereit.

Kritiker der Großen KoalitionDie Jusos positionierten sich bei ihrem Bundeskongress im Nov. 2017 deutlich gegen eine Beteiligung der SPD an einer "GroKo". Diese Forderung erhob K. auch beim Anfang Dezember folgenden SPD-Parteitag und brachte dabei statt der Alternative "Neuwahlen" auch Möglichkeiten einer Minderheitsregierung, Tolerierungs- und Kooperationsmodelle ins Spiel. Die Jusos als "Bollwerk gegen große Koalitionen" setzten auf "mehr Polarisierung und Zuspitzung" (Hbl., 28.11.2017). Auch mit der Forderung, "unverschämt leistungslos erworbene Vermögen" stark zu besteuern, machte K. auf sich aufmerksam. Er forderte von der SPD einen radikalen Wandel hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit und Zukunftsthemen wie Europa, Digitalisierung der Arbeitswelt sowie solidarische Gestaltung der Globalisierung. Beispielsweise, so K., dürfe die SPD von ihrer Kernforderung nach einer Bürgerversicherung nicht abweichen.

Nachdem die Jusos mit ihrem Nein zur Aufnahme von Sondierungsgesprächen zwischen der SPD und den Unionsparteien gescheitert waren, konnten sie immerhin durchsetzen, dass ein Sonderparteitag im Jan. 2018 über die von der Parteiführung angestrebte Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden sollte. Die Abstimmung ergab eine knappe Mehrheit der Befürworter, wobei die letzte Entscheidung jedoch einem Mitgliedervotum vorbehalten blieb. Nach dem Sonderparteitag intensivierten die Jusos unter dem Slogan "NoGroKo" noch einmal ihre Kampagne gegen einen Regierungseintritt der SPD, wobei sie mit Blick auf den Mitgliederentscheid auch gezielt um neue Parteimitglieder warben. Das am 4. März 2018 ausgezählte Ergebnis der Mitgliederbefragung ergab schließlich mit 66 % ein klares Votum für den Koalitionsvertrag, sodass am 14. März eine neue "GroKo" aus CDU/CSU und SPD unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Arbeit aufnehmen konnte.

Die parteiinternen Auseinandersetzungen in der SPD über die Regierungsbeteiligung, aber auch die personelle Ausstattung der neuen Regierung forderten indes prominente Opfer. So sah sich Martin Schulz gezwungen, sowohl auf den Parteivorsitz als auch auf ein Ministeramt zu verzichten, und auch der bisherige Außenminister Sigmar Gabriel musste sein Ministeramt aufgeben. Die inhaltliche Ausgestaltung des Koalitionsvertrages und die zugewiesenen sechs Ministerposten wurden in der Presse als bemerkenswerter Erfolg der SPD-Verhandlungsführer gewertet. Als "Anführer einer neuen linken Opposition" (ZEIT-Mag., 12.4.2018) machte der von Beobachtern als "politische Ausnahmeerscheinung" (Cicero, 9.12.2019) und "Popstar der SPD" (FAS, 3.3.2019) bezeichnete K. mit vergleichsweise linken Forderungen auf sich aufmerksam. So verlangte er eine verstärkte Besteuerung von Vermögen, einen höheren Mindestlohn und die Bekämpfung von Leiharbeit und forderte eine Beschränkung von Immobilienbesitz.

Als nach weiteren schlechten Wahlergebnissen für die SPD die bisherige Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles im Juni 2019 von beiden Ämtern zurücktrat, sprach sich K. für einen entschiedenen Linksschwenk in der Parteiführung aus. Er kandidierte selbst aber nicht für den Parteivorsitz, sondern unterstützte die Wahl des Kandidatenpaars Norbert Walter-Borjans (fr. nordrhein-westfälischer Finanzminister) und Saskia Esken (baden-württembergische Bundestagsabgeordnete) zu neuen SPD-Bundesvorsitzenden, die nach einem langwierigen innerparteilichen Findungsprozess Anfang Dez. 2019 tatsächlich als Sieger feststanden.

Wiederwahl als Juso-Vorsitzender, stellv. SPD-VorsitzenderNachdem K. auf dem Bundeskongress der Jungsozialisten im Nov. 2019 mit 88,6 % der Delegiertenstimmen als Jusos-Vorsitzender wiedergewählt worden war, konnte er bei der Wahl der neuen Parteispitze auf dem SPD-Bundesparteitag im Dez. in Berlin mit 70,4 % der Stimmen auch einen Sitz als einer der fünf stellv. Parteivorsitzenden erringen. Er galt dabei als Gegengewicht zu eher konservativ ausgerichteten SPD-Politikern wie Klara Geywitz (76,8 %), die sich zusammen mit Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz ebenfalls um den Parteivorsitz beworben hatte und damit bei K. und den Jusos auf Ablehnung gestoßen war. Der Juso-Chef wachse damit in die "Rolle des Ansagers seiner Partei hinein", attestierte ihm ntv (3.12.2019). DER SPIEGEL (7.12.2019) titulierte ihn als "Pate" der neuen SPD-Parteispitze. Dass K. dann allerdings – in Übereinstimmung mit den neuen Parteivorsitzenden – statt des von linken SPD-Kreisen erhofften GroKo-Austritts auf weitere gemeinsame Regierungspolitik setzte, sorgte bei manchen Weggefährten für Irritationen.

Rückzug vom Juso-Vorsitz und Wahl in den BundestagMit einem bereits im Nov. 2019 verkündeten Rückzug vom Juso-Vorsitz – für die Vorstandswahl im Jan. 2021 trat er nicht mehr an – bereitete sich K. auf seinen Einzug in den Bundestag vor. Als Kandidat für die Bundestagswahl im Sept. 2021 trat er in seinem Heimatbezirk Tempelhof-Schöneberg an und vereitelte damit die Kandidatur seines Parteikollegen, des dort ebenfalls beheimateten Regierenden Bürgermeisters von Berlin (bis Sept. 2021 im Amt) Michael Müller, der für seine Nominierung auf den Nachbarbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ausweichen musste. Bei der Wahl am 26. Sept. 2021 eroberte K. mit 27,1 % das Direktmandat (knapp vor der GRÜNEN-Politikerin Renate Künast), zog damit in den Bundestag ein und wurde dort Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen.

Unterdessen hatte sich die SPD unter der Führung der neuen Doppelspitze Esken und Walter-Borjans zusammen mit Generalsekretär Lars Klingbeil mit neuem Elan aufgemacht, vor der Bundestagswahl 2021 aus dem Umfragetief herauszukommen, das die SPD zeitweise unter 15 % drückte. Erschwert wurde der Wahlkampf durch die seit Anfang 2020 grassierende Coronavirus-Pandemie, die sich in mehreren Wellen immer wieder verstärkte und zu teils tiefgreifenden Beschränkungen des gesellschaftlichen Lebens führte. Nach der bereits im Aug. 2020 erfolgten Nominierung von Olaf Scholz als Spitzenkandidat der Partei und dessen Kür zum Kanzlerkandidaten auf einem außerordentlichen Bundesparteitag im Mai 2021 konnte die SPD in der Wählergunst zulegen. Auch das unglückliche Agieren der CDU/CSU bei der Wahl des Kanzlerkandidaten und Wahlkampffehltritte sowohl des CDU-Spitzenkandidaten Armin Laschet als auch der GRÜNEN-Kandidatin Annalena Baerbock spielten der zuvor oft zerstrittenen SPD in die Hände, die für viele Beobachter überraschend geschlossen auftrat. Auch K. hielt sich mit kontroversen Aussagen zurück und arbeitete am Wahlprogramm mit. Erstaunt registrierten Kommentatoren eine neue Nähe zwischen dem links positionierten K. und dem im konservativen Seeheimer Kreis verorteten Generalsekretär Klingbeil. Allenfalls machte "der ehemalige Rebell der SPD" (FAZ, 25.7.2021) deutlich, dass er sich für Rot-Grün oder notfalls Rot-Grün-Rot im Bund einsetze statt für eine u. a. von Scholz präferierte "Ampelkoalition" (SPD, Grüne, FDP).

Bei der Bundestagswahl vom 26. Sept. 2021 konnte die SPD mit 25,7 % der Stimmen (+ 5,2) und 206 (+53) der insgesamt 736 Sitze im neuen Bundestag die CDU/CSU überrunden, die mit 24,1 % (- 8,9) eine historische Niederlage erlitt. Angesichts des Wahlergebnisses von 14,8 % (+5,9) für die GRÜNEN und 11,5 % (+0,8) für die FDP zeichnete sich die Regierungsbildung mit einer rot-grün-gelben Dreier-Koalition ab. Am 8. Dez. 2021 wurde Scholz mit 395 von 707 abgegebenen Stimmen vom Bundestag zum neuen Kanzler gewählt. K. hatte in einem stern-Interview (22.7.2021) formuliert, dass er die vordringlichste Aufgabe der neuen Bundesregierung darin sah, "unser Gemeinwohl endlich dem ausufernden Renditestreben (zu) entziehen". Für sich sah er die Hauptaufgabe u. a. in der Wohnungspolitik, um breiten Teilen der Gesellschaft bezahlbare Wohnungen zu ermöglichen.

Wahl zum SPD-GeneralsekretärEine kurz nach der Bundestagswahl erstmals gezeigte Langzeit-Doku ("Kevin Kühnert und die SPD"), für die sich K. drei Jahre lang von einem NDR-Team hatte begleiten lassen, gab Einblick in das Innenleben des Jungpolitikers. Die Doku zeige u. a. K.s "beängstigendes Talent" und sein "unrundes Verhältnis zu Scholz", so die Süddeutsche Zeitung (6.10.2021). Eine weitere Stufe auf der politischen Karriereleiter nahm K. auf dem SPD-Bundesparteitag am 11. Dez. 2021, der ihn mit 77,8 % der Delegiertenstimmen zum neuen Generalsekretär in der Nachfolge von Lars Klingbeil wählte, der nunmehr als neuer Co-Vorsitzender zusammen mit Saskia Esken an die Parteispitze rückte. Mit diesem Wandel "Vom Groko-Schreck zum General" erhalte K. die Aufgabe, "einerseits den eigenen Kanzler Olaf Scholz zu stützen und andererseits für Sichtbarkeit der SPD zu sorgen", so die Stuttgarter Zeitung (11.12.2021). Mit K., der laut Süddeutscher Zeitung (4.12.2021) "Politik in verständliche Sprache und prägnante Botschaften übersetzen" könne, werde die Macht in der SPD neu verteilt (vgl. ebd.).

Probleme in der Ampelkoalition und UkrainekriegNach erster Aufbruchstimmung erschwerten bald Unstimmigkeiten innerhalb der ungewöhnlichen Regierungskoalition sowie eine multiple internationale Krisenlage die Zusammenarbeit der neuen Regierung. Allen diplomatischen Bemühungen zum Trotz startete Russland Ende Febr. 2022 einen völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine, der sich zu einem langwierigen und verlustreichen Abnutzungskrieg v. a. um die von Russland besetzten ostukrainischen Gebiete entwickelte. Durch die noch kurz vor Kriegsausbruch ausgesetzte Inbetriebnahme der umstrittenen, deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 und die Verknappung der Öl- und Gasexporte aus Russland infolge der westlichen Sanktionspolitik drohte in Deutschland eine Energiekrise, die durch rasches Regierungshandeln - u. a. durch eine Laufzeitverlängerung für Kohlekraftwerke, den Aufbau von Flüssiggasterminals und einen forcierten Ausbau regenerativer Energien - abgewendet werden konnte. Allerdings schädigten eine stark gestiegene Inflationsrate und ein von Wirtschaftsminister Robert Habeck (GRÜNE) nach allgemeiner Einschätzung überstürzt und mit unzureichendem sozialen Ausgleich eingebrachtes neuen Gebäudeenergiegesetz das Ansehen der Ampelkoalition.

Mit dem Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums von Christine Lambrecht zu Boris Pistorius im Jan. 2023 gewann die SPD laut Pressestimmen in der Öffentlichkeit wieder an Profil und Glaubwürdigkeit. K., der in zahlreichen TV-Talkshows und Interviews Präsenz zeigte, trat als Generalsekretär deutlich moderater auf als in früheren Jahren. Die Süddeutsche Zeitung (26.5.2022) sah ihn in einer neuen Rolle als "Kanzlererklärer", als "Diener im Auftrag seiner Partei". In der Frage der Lieferung schwerer Waffen (u. a. Artillerie, Kampfpanzer) an die Ukraine, die die SPD nahezu einer Zerreißprobe aussetzte, vertrat er weitgehend die Position von Kanzler Olaf Scholz. Dieser hatte in einer von vielen als historisch gewerteten Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag am 27. Febr. 2022 Russlands Angriffskrieg zur "Zeitenwende" erklärt und ein Sondervermögen von 100 Mrd. Euro zur Modernisierung der Bundeswehr angekündigt, legte aber in der Frage der Waffenlieferungen eine eher zögerliche Haltung an den Tag.

Haushaltskrise und SchuldenbremseNach wie vor setzte K. auf mehr "Verteilungsgerechtigkeit", auf stärkere Entlastung einkommensschwacher Schichten in Zeiten steigender Energiepreise und einer hohen Inflationsrate. Er verteidigte das sozialdemokratische Prestigeprojekt Bürgergeld, das soziale Härten der "Hartz-IV"-Regelungen revidieren sollte und das erst nach einem gemeinsamen Vermittlungsausschuss des Bundestags und des von der Union dominierten Bundesrates im Nov. 2022 eine parlamentarische Mehrheit fand. Zu einer Zerreißprobe für die Ampelkoalition wurde ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Nov. 2023, welches nach einer Klage der Unionsfraktion das Gesetz zum zweiten Nachtragshaushalt 2021 für unvereinbar mit den im Grundgesetz verankerten Vorschriften zur Begrenzung der Neuverschuldung (sog. Schuldenbremse) erklärte. Damit war es nicht mehr möglich, nicht benötigte Kreditermächtigungen aus der Zeit der Coronavirus-Pandemie wie geplant in einen Klima- und Transformationsfonds zu verschieben, worauf 60 Mrd. Euro im Bundeshaushalt 2023 fehlten. Damit standen zahlreiche Projekte der Ampelregierung auf der Kippe, der Nachtragshaushalt 2023 musste nachgebessert und die Haushaltsplanung 2024 unter Einhaltung der Schuldenbremse neu aufgerollt werden. K. sprach sich daraufhin in einem Interview für eine gut begründete Aussetzung der Schuldenbremse aus (vgl. TSP, 8.12.2023), auf die man sich mit dem Koalitionspartner FDP unter Finanzminister Christian Lindner jedoch nicht verständigen konnte.

Streit um EinwanderungspolitikDer auf dem SPD-Parteitag im Dez. 2023 mit 92,5 % der Delegiertenstimmen als Generalsekretär wiedergewählte K. geriet angesichts stark sinkender Umfragewerte für die SPD, zunehmend öffentlich ausgetragenen Differenzen innerhalb der Ampelkoalition und verschärften Angriffen aus der oppositionellen Union immer stärker in die Defensive. Zu einem Hauptthema in der öffentlichen Wahrnehmung wurde die Migrationspolitik. Angesichts anhaltend hoher Geflüchtetenzahlen – verstärkt durch die über 1,1 Mio. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine – wurde vor einer systemischen Überforderung, v. a. in den Kommunen, gewarnt. Die erstarkte rechtspopulistische bis rechtsextreme AfD, die v. a. in den ostdeutschen Bundesländern Zustimmungswerte bis zu 30 % erzielte, verschärfte den Ton der Auseinandersetzung. Und auch das erst Anfang 2024 als neue Partei erfolgreich an den Start gegangene Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sorgte für weiteren Gegenwind, zumal sich hier die Skeptiker einer vorbehaltlosen Unterstützung der Ukraine versammelten.

Als Chef von rd. 200 Mitarbeitenden im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, war K. dafür zuständig, die SPD hinsichtlich der Bundestagswahl 2025 kampagnenfähig und für die Wählerschaft attraktiver zu machen. Zum misslungenen Test gerieten die Wahlen zum Europäischen Parlament vom Juni 2024 mit einem denkbar schlechten Abschneiden der Regierungsparteien. Während CDU/CSU mit 30 % deutlich stärkste Kraft wurden, landete die Kanzlerpartei SPD mit 13,9 % noch hinter der rechtspopulistischen AfD (15,9 %) auf Rang drei. Ein weiteres Erstarken populistischer Kräfte brachten die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Sept. 2024, bei denen die AfD teilweise über 30 % der Wählerstimmen und das BSW aus dem Stand jeweils zweistellige Ergebnisse erzielten.

Rücktritt als SPD-GeneralsekretärFür Außenstehende überraschend erklärte K. mitten in dieser politisch aufgewühlten Zeit Anfang Okt. 2024 seinen Rücktritt als SPD-Generalsekretär aus gesundheitlichen Gründen. Auch bei der Bundestagswahl, die nach dem Bruch der Ampelkoalition im Nov. 2024 als vorgezogene Neuwahlen bereits im Febr. 2025 stattfinden sollten, wollte er sich nicht mehr um ein Mandat bemühen. In einem öffentlichen Brief erklärte er: "Die Energie, die für mein Amt und einen Wahlkampf nötig ist, brauche ich auf absehbare Zeit, um wieder gesund zu werden." Als "sichtlich erschöpft, geschlaucht vom Kanzler-Verteidigen" (zeit.de, 8.10.2024) schilderten politische Beobachter den scheidenden SPD-Generalsekretär, dem offenbar auch die historischen Niederlagen der SPD bei den jüngsten Wahlen mitangelastet wurden. "Bei Fragen von Krieg und Frieden, Migration oder innerer Sicherheit sprach die SPD zuletzt laut vernehmbar nicht mehr mit einer Stimme. Kühnert stand der Kakofonie zunehmend hilf- und ratlos gegenüber", konstatierte der Tages-Anzeiger (8.10.2024). Zwar hatte sich K. bereits in den Monaten zuvor gelegentlich über die enorme Belastung seines Postens beklagt (vgl. taz, 25.5.2024), seinen Rückzug aber zunächst ausgeschlossen.

Zu seinem Nachfolger wurde bereits einen Tag später, am 8. Okt. 2024, der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Miersch ernannt. Der mit einstimmiger Unterstützung des Parteipräsidiums im Willy-Brandt-Haus präsentierte, gut vernetzte SPD-Politiker aus Niedersachsen – seit 2015 Sprecher der Parlamentarischen Linken und seit 2017 stellv. Vorsitzender der SPD-Fraktion – übernahm das Amt kommissarisch; die offizielle Wahl war zum nächsten Parteitag 2025 vorgesehen.

15. Februar 2025: Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet über Abgeordnete aller Parteien, die im Deutschen Bundestag ihre Abschiedsreden gehalten haben. Darunter sind Peter Ramsauer, Renate Künast, Kevin Kühnert, Anke Domscheit-Berg, Monika Grütters, Karamba Diaby, Niels Annen, Michael Grosse-Brömer und Leni Breymaier. Ebenfalls bei der Neuwahl des Bundestags nicht wieder antretende MdBs sind Yvonne Magwas, Gesine Lötzsch, Michael Roth, Hans-Peter Friedrich, Hermann Gröhe, Annette Widmann-Mauz, Katrin Budde, Michelle Müntefering, Jürgen Trittin und Cem Özdemir.

Familie

K. wohnt in Berlin, bis zu seiner Wahl als SPD-Generalsekretär in einer 3er-WG in Schöneberg. 2018 bekannte er sich öffentlich zu seiner Homosexualität und wollte damit auch ein Zeichen für junge Menschen setzen. Er lebt in einer festen Partnerschaft, schützt sein Privatleben aber weitgehend. In seiner Freizeit sorgt der Fußballfan (Arminia Bielefeld, Bayern München und Tennis Borussia Berlin) mit Wanderungen für sportlichen Ausgleich und bemüht sich u. a. durch den weitgehenden Verzicht auf Alkohol um einen gesunden Lebensstil.

Literatur

TV-Dokumentation: "Kevin Kühnert und die SPD" (21; 6-teilige NDR-Reihe von Lucas Stratmann/Katharina Schiele).

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften/Ämter: Mitglied des Beirats des American Jewish Committee Berlin, Kuratoriumsmitglied Bernd Reisig Stiftung – helfen helfen, Frankfurt/Main.

Adresse

c/o Wahlkreisbüro, Goebenstraße 3, 10783 Berlin, Tel.: 030 92251826, E-Mail: kevin.kuehnert.wk@bundestag.de



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