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Tomas Espedal

norwegischer Schriftsteller
Geburtstag: 12. November 1961 Bergen
Nation: Norwegen

Internationales Biographisches Archiv 09/2020 vom 25. Februar 2020 (fl)
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 32/2021


Blick in die Presse

Herkunft

Tomas Espedal wurde am 12. Nov. 1961 in der norwegischen Hafenstadt Bergen geboren und wuchs dort in einer Arbeiterfamilie auf.

Ausbildung

E. studierte an der Universität seiner Heimatstadt.

Wirken

Danach unterrichtete er zeitweise an der neu gegründeten Bergener Akademie für Schreibkunst. Einer seiner Studenten war der sieben Jahre jüngere Karl Ove Knausgård, der später mit hyperrealistischen, autofiktionalen Romanen reüssierte und oft in einem Atemzug mit E. genannt wurde. 1988 veröffentlichte E. seinen Debütroman "En vill flukt av parfymer" (dt. "Eine wilde Flucht von Parfums") um einen jungen Mann, der sich unglücklich verliebt und dadurch vom Schreiben eines Romans abgehalten wird. Bis 1996 brachte er vier weitere Romane heraus, darunter den preisgekrönten Beziehungsroman "Hun og jeg" (1991; dt. "Sie und ich").

Mit seiner Trilogie aus "Biografie (Vergessenheit)", "Tagebuch (Epitaphe)" und "Briefe (Ein Versuch)" wandte sich E. schließlich dem autofiktionalen Schreiben zu. Diese drei Bücher erschienen zunächst einzeln 1999, 2003 und 2005 in Norwegen und erst 2017 auf Deutsch als Sammelausgabe in einem Band. Die experimentellen, teils fragmentarischen Prosatexte kreisen um autobiographische Motive und reflektieren zugleich das Schreiben selbst als Existenzform. DIE ZEIT (8.6.2017) sprach von einem "großartigen Frühwerk" des Autors, während die Süddeutsche Zeitung (20.6.2017) in seinen bisweilen "epiphanischen" Momentaufnahmen "Aufwärmübungen" für die nächsten Bücher vermutete, die in "bündigerer Form" die zentralen Motivkreise aus E.s Leben wiederkehren ließen. Hierzu zählen der Tod seiner Mutter und seiner Ex-Frau Agnete binnen eines Jahres, seine Zeit als alleinerziehender Vater zweier Töchter und seine große Liebe zu einer jungen Frau (Janne), die ihn für einen seiner besten Freunde verlässt. Wie Knausgård verarbeitete E. als Schriftsteller die eigene Existenz mit radikaler Offenheit und wurde zu den herausragenden Vertretern eines neuen Subjektivismus in der norwegischen Literatur gezählt, wobei die Fachkritik stets auch die Unterschiede in der literarischen Gestaltung hervorhob: E. sei ein "Meister der Verknappung" und tendiere zur lyrischen Verdichtung, während Knausgård eine ausufernde Fülle von teils banalen Alltagsdetails beschreibe (KLfG, 10/2019; vgl. ZEIT, ebd.).

International bekannt wurde E. mit dem Überraschungsbestseller "Gehen oder die Kunst, ein wildes und poetisches Leben zu führen" (2006; dt. 2011). Der essayistische Reiseroman, das erste Buch E.s in deutscher Übersetzung, handelt von der Selbsterfahrung im Gehen und den Glücksgefühlen, die der Ich-Erzähler nach einer tiefen Krise auf langen Wanderungen zu Fuß durch mehrere europäische Länder erlebt, wobei zahlreiche Zitate das Buch auch zu einer "Wanderung durch die Weltliteratur" machen (FAZ, 14.2.2012). Seine nächsten Bücher "Wider die Kunst (Die Notizbücher)" und "Wider die Natur (Die Notizbücher)" erschienen 2009 bzw. 2011 im Original und 2014/2015 auf Deutsch in umgekehrter Reihenfolge. Während "Wider die Kunst" die Familiengeschichte des Autors erzählt und das Schreiben als Form der Krisenbewältigung thematisiert, handelt "Wider die Natur" v. a. von der Amour fou zwischen dem 48-jährigen Tomas und der deutlich jüngeren Janne, der letzten seiner gescheiterten Beziehungen, die einen alten Topos der Weltliteratur widerspiegelt, was etwa durch Verweise auf die Liebesgeschichte von Abaelard und Heloise aus dem 12. Jahrhundert sinnfällig wird. Beide Werke fanden ein überaus positives Echo, E.s Liebestrauerbuch wurde als "ein Meisterwerk des literarischen Understatements" (ZEIT, 24.4.2014) gepriesen, als "schonungslos in seiner Klarheit und unwiderstehlich in seiner Verletzlichkeit" (NZZ, 3.6.2014).

Auf James Joyces Erzählband "Dubliners" spielt E.s Werk "Bergeners" an (2013; dt. 2018), eine Sammlung aus Notizen, Skizzen, Prosagedichten und Kurzgeschichten. DIE WELT (5.1.2019) sah darin ein paradoxes "Manifest der Einsamkeit", das zugleich vom geselligen Treiben in der Bergener Künstlerszene berichte und hierbei ohne jede Fiktionalisierung mit Klarnamen operiere. Darauf folgte 2016 der Versroman "Das Jahr" (dt. 2019), der einmal mehr um die Themen Verlust, Sehnsucht und Trauer kreist, eine Reise auf den Spuren des Renaissance-Dichters Petrarca beschreibt und das lyrische Ich anlässlich einer Kreuzfahrt mit dem alternden Vater schließlich auch dem eigenen Tod ins Auge blicken lässt - "ein Ende mit doppeltem Boden für ein Projekt autobiografischer Literatur", wie es in einer Kritik hieß (BR.de, 13.10.2019). Als deutliche "Abkehr von der Autofiktionalität" (KLfG, ebd.) wurde der zwischen Ich-Form und personalem Erzählen changierende E.-Roman "Elsken" (2018; dt. "Das Lieben") aufgenommen, worin der Protagonist beschließt, nach Ablauf eines Jahres zu sterben.

Familie

E. lebt und arbeitet in Bergen. Zum Schreiben benutzt er bewusst keinen Computer, sondern Notizbücher und eine Schreibmaschine.

Werke

Veröffentlichungen u. a.: "En vill flukt av parfymer" (88), "Jeg vil bo i mitt navn" (90), "Hun og jeg" (91), "Hotell Norge" (95), "Blond (erindring)" (96), "Biografi (glemsel)" (99), "Dagbok (epitafer)" (03), "Brev (et forsøk)" (05; alle drei dt. 17, "Biografie, Tagebuch, Briefe"), "Gå. (Eller kunsten å leve et vilt og poetisk liv)" (06; dt. 11, "Gehen oder die Kunst, ein wildes und poetisches Leben zu führen"), "Ly" (07), "Imot kunsten (notatbøkene)" (09; dt. 15, "Wider die Kunst [Die Notizbücher]"), "Imot naturen (notatbøkene)" (11; dt. 14, "Wider die Natur [Die Notizbücher]"), "Bergeners" (13; dt. 18), "Mitt privatliv" (14; Fotobuch), "Året" (16; dt. 19, "Das Jahr"), "Elsken" (18).

2019: Kronprinzessin Mette-Marit & Geir Gulliksen (Hrsg.): "Heimatland und andere Geschichten aus Norwegen". Mit Texten von Siri Hustvedt, Karl Ove Knausgård, Thomas Espedal, u. a. (2019).

2021: Tomas Espedal: "Lieben". Roman. Aus dem Norwegischen (2021).

Auszeichnungen

Auszeichnungen u. a.: Bokklubbens romankonkurranse (91), Bergensprisen (06), Kritikerprisen (09), Gyldendalprisen (09), Brageprisen (11), Riksmålsforbundets literaturpris (11; abgelehnt).

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften/Ämter: E. war Mitinitiator des Bergen Internasjonale Poesifestival.

Adresse

c/o Matthes & Seitz Berlin, Göhrener Str. 7, 10437 Berlin, E-Mail: info@matthes-seitz-berlin.de, Internet: www.matthes-seitz-berlin.de



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