Ruud Gullit war einer der herausragenden Fußballer der späten 80er und frühen 90er Jahre. Obwohl er nur einmal (1987) zu "Europas Fußballer des Jahres" gewählt wurde und den seit 1988 (zunächst von der IFFHS, später offiziell von der FIFA) vergebenen Titel des "Weltfußballers" nie gewann (aber zweimal die World-Soccer-Wahl), prägte er wie nur wenige das Fußballgeschehen seiner Zeit. Dank seines Allround-Könnens galt er zeitweise als eine Art Prototyp für den Fußballer der Zukunft. 1988 holte sich Gullit bei der EM mit dem Nationalteam den einzigen großen Titel in seiner Nationalmannschaftskarriere, danach folgten seinen besten Jahre, als er mit dem AC Milan zum Titelhamsterer wurde. Nach seinem Abschied aus der italienischen Serie A ließ der Holländer Mitte der neunziger Jahre beim FC Chelsea seine Karriere ausklingen und lenkte sie als Spielertrainer des Londoner Traditionsclubs gleich nahtlos in andere Bahnen. Allerdings konnte sich Gullit im neuen Metier nach fulminantem Beginn nicht dauerhaft durchsetzen und bekam erst 2004 nach einer längeren Auszeit wieder ein Engagement bei einem Topteam, und zwar bei seinem Ex-Klub Feyenoord Rotterdam.
Laufbahn
Ruud Gullit wuchs in Amsterdam auf und spielte als Kind mit seinem späteren Nationalmannschafts-Kollegen Frank Rijkaard in einer Straßenmannschaft. Dort wurde er 1973 von der Jugendtrainerin des Amsterdamer Klubs "Meerboys" entdeckt und in den Verein geholt. Von den Meerboys wechselte der 13-Jährige, der nie ein Vorbild hatte, weil dies, wie er sagt, seinem Charakter widersprochen hätte, 1975 zu DWS Amsterdam in die Amateurliga. Dort kreuzten sich Gullits und Rijkaards Wege zum zweiten Mal. Nach seinem Debüt in der niederländischen Schüler-Nationalelf - im April 1977 in Middlesbrough gegen England - wurde er bald zu deren herausragendem Spieler, der sein Können auch einmal in einem Länderspiel gegen die DFB-Auswahl unter Beweis stellte.
Nach einem Jahr bei DWS und dem gescheiterten Versuch, wie sein Freund Rijkaard bei Ajax Amsterdam unterzukommen, wechselte Gullit im Sommer 1978 zum HFC Haarlem. Dort hatte der gebürtige Waliser Bary Hughes großen Einfluss auf den weiteren Verlauf seiner Karriere. Anfänglich nur in der Jugendabteilung und in der zweiten Mannschaft eingesetzt, feierte Ruud Gullit am 19. August 1979 seinen Einstand in der niederländischen Eredivisie. Der 16-Jährige wurde zunächst in der Innenverteidigung eingesetzt und war schon bald ein fixer Bestandteil des Teams. Ende der Saison stieg er mit seinem Klub ab und spielte, nachdem ein Engagement beim belgischen Spitzenklub RSC Anderlecht an zu hohen Haarlemer Forderungen gescheitert war, ein Jahr in der 2. Liga. Gullit schaffte jedoch mit seiner Mannschaft 1981 auf Anhieb die Rückkehr in die höchste Spielklasse.
Das Comebackjahr des HFC Haarlem verlief so erfolgreich, dass sich das Team sogar für den UEFA-Cup qualifizieren konnte. Seine ersten internationalen Klubauftritte absolvierte Ruud Gullit dann aber bereits für sein neues Team Feyenoord Rotterdam, zu dem der Neu-Nationalspieler im Sommer 1982 gewechselt war. Exakt an seinem 19. Geburtstag hatte Gullit nämlich in Zürich gegen die Schweiz in der holländischen Nationalmannschaft debütiert, als er zur Halbzeit gegen seinen Jugendfreund Rijkaard eingewechselt worden war. Stammspieler im Oranje-Team wurde er jedoch erst in seiner Zeit in Rotterdam. Dort holte sich der "Youngster mit der Rasta-Frisur" (IFFHS, World Football Gala 2000) an der Seite von Wim van Hanegem 1983 die Vizemeisterschaft. Ein Jahr später, Feyenoord hatte sich überraschend die Dienste von Altstar Johan Cruyff gesichert, gewann das Team aus der Hafenstadt die Meisterschaft und gegen Fortuna Sittard auch den Landespokal (KNVB-Beker).
Der 1,86 m große Hüne konnte am Ball praktisch alles, war zweikampf- und kopfballstark, schnell, wendig und schussstark. Er konnte Libero wie Sturmspitze spielen, war Spielmacher und Torjäger in einer Person, Pendler zwischen Mittelfeld und Angriff. Als neuer Star des Double-Gewinners aus Rotterdam wurde der 22-Jährige in den Niederlanden 1984 auch als "Fußballer des Jahres" ausgezeichnet. Der deutsche Journalist Ulfert Schröder verglich Gullit in einem Porträt einmal mit drei ganz Großen des Weltfußballs und stellte fest: "Gullit hat die Arbeitswut von Di Stefano, er ist wie Beckenbauer umweht vom Hauch des Genialen. Und wie Cruyff versetzt er seine Mannschaft in jenen hochtourigen, wilden Schwung, der dem Gegner das panische Gefühl des Ertrinkens vermittelt."
Gullits Europapokal-Auftritte mit Feyenoord Rotterdam waren allerdings 1983 und 1984 recht kurz: Tottenham bzw. Panathinaikos erwiesen sich jeweils schon in der Anfangsphase als unüberwindliche Hindernisse. Inzwischen hatte sich Ruud Gullit zum besten Spieler entwickelt und war auch zum Kapitän der niederländischen Nationalmannschaft aufgestiegen, aber die internationalen Auftritte der Oranjes waren nur wenig erfolgreich, verpassten sie doch 1985 die Qualifikation für die WM 1986. Nachdem Feyenoord als Titelverteidiger die Saison 1984/85 nur auf Rang drei beenden konnte, wechselte der "Rasta-Mann" gemeinsam mit Coach Hans Kraaij im Sommer 1985 zum PSV Eindhoven. Mit dem Philips-Verein gewann Ruud Gullit 1986 und 1987 die Meisterschaft, er selbst absolvierte jeweils alle Saisonspiele, steuerte 22 bzw. 24 Tore zum jeweiligen Titelgewinn bei und wurde 1986 ein zweites Mal zum holländischen "Fußballer des Jahres" gewählt; 1985 war er Zweiter hinter van Basten geworden.
Im Sommer 1987 wechselte Ruud Gullit schließlich für 15 Mio. DM zum italienischen Erstligisten AC Milan. Zum damaligen Zeitpunkt war er damit der teuerste Spieler Europas und hinter Diego Maradona der teuerste Spieler aller Zeiten. In Italien avancierte der Holländer mit Surinam-Wurzeln mit seiner spektakulären und überaus erfolgreichen Spielweise schnell zum Liebling der Massen; selbst gegen so genannte "kleine" Gegner füllte er seinem Klub das Stadion. Gleich in seinem ersten Jahr führte Gullit den AC Mailand zur italienischen Meisterschaft.
Wenige Wochen später erlebte Ruud Gullit bei der Europameisterschaft 1988 seinen sportlichen Höhepunkt. Als überragender Mannschaftskapitän lenkte er das niederländische Team, das begeisternden und für einmal auch effizienten Fußball spielte, zum Titelgewinn. Bis dahin zum internationalen Star geworden, ohne jemals bei einer EM- oder WM-Endrunde mitgespielt zu haben, stellte Gullit bei den Spielen in der Bundesrepublik sein Ausnahmekönnen erstmals bei einem internationalen Turnier unter Beweis. In den beiden darauf folgenden Spielzeiten folgten unnachahmliche Triumphe auf Klubebene. Unter der Regie des Trainers Sacchi und seines verlängerten Armes Gullit avancierte der AC Milan zur wohl besten Mannschaft der Welt. Das Team blieb zwar national ohne einen Titel, gewann aber 1989 und 1990 zweimal in Folge den europäischen Landesmeister-Wettbewerb, den europäischen Supercup und den Weltpokal.
Der Milan-Legionär selbst hatte dabei vor allem 1989 wesentlichen Anteil, als er in acht Europacupspielen fünf Treffer erzielen konnte. Aber ausgerechnet eines der größten Spiele Gullits, das Europacup-Finale 1989 gegen Steaua Bukarest, beeinträchtigte den weiteren Verlauf seiner Karriere in negativer Weise. Der Milan-Star verletzte sich am Knie und wurde zwei Tage später operiert. Zwei weitere Operationen erfolgten im Juli und Dezember desselben Jahres, und die fußballerische Zukunft war kurzzeitig sogar in Frage gestellt. Nach monatelanger Zwangspause feierte Gullit, dessen Vertrag trotz der Verletzung um drei weitere Jahre verlängert worden war, erst im Mai 1990 im Europapokalfinale gegen Benfica Lissabon beim 1:0-Sieg sein Comeback.
Doch "Il Tulipano Nero", wie Gullit in seiner Glanzzeit von den begeisterten Tifosi bezeichnet wurde, fand zunächst nicht mehr zur alten Form zurück und konnte auch bei der WM 1990 in Italien nicht die erwarteten Akzente setzen. Gullit und das holländische Team, in dem es bereits im Vorfeld des Turniers wieder einmal zu großen Spannungen gekommen war, überstanden zwar die Vorrunde, schieden dann aber bereits im Achtelfinale gegen den späteren Weltmeister Deutschland aus. Auf nationaler Ebene blieb Gullit nach einer schwächeren Saison 1990/91 mit dem AC Milan erstmals seit Beginn seines Italien-Engagements ohne einen Titelgewinn. Zudem verletzte sich der Mittelfeldspieler im Mai 1991 erneut am Knie, und die notwendig gewordene vierte Knieoperation innerhalb von zwei Jahren ließ abermals große Ungewissheit um die sportliche Zukunft aufkommen.
Zu Saisonbeginn 1991/92 schien die Zeit Ruud Gullits bei Milan dann sogar bereits abgelaufen, denn der 29-Jährige passte unter dem neuen Trainer Fabio Capello nicht mehr in das System und verlor seinen Stammplatz. Im September schien ein Wechsel zu Real Madrid sicher, der Serbe Boban stand als Nachfolger schon bereit. Doch Gullit strafte alle Kritiker und Skeptiker Lügen und lief, in neuer Rolle im rechten Mittelfeld agierend, wieder zu überragender Form auf. Eine erneute Meniskusoperation warf ihn zwar im März 1992 abermals etwas zurück, aber zwei Spieltage vor Saisonschluss kam er zurück, gerade rechtzeitig, um mit Milan seine zweite Meisterschaft zu feiern.
Dass Ruud Gullit trotz seiner Rückkehr aufs Spielfeld noch weit entfernt war von seiner Bestform, zeigten wenig später seine Auftritte im Verlauf der EM 1992 in Schweden. Die Holländer erreichten als Titelverteidiger nur das Halbfinale, wo sie - wie schon bei der Italia '90 - am späteren Sieger, diesmal sensationell Dänemark, scheiterten. Gullit selbst hatte noch während des gesamten Turniers unter den Folgen seiner neuerlichen Knieoperation zu leiden gehabt, dennoch schrieb die Frankfurter Rundschau während der EM in einer wahren Eloge über den Holländer, er spiele den derzeit wohl ästhetischsten Fußball: "Elegant, doch nie verspielt, kraftvoll, doch nie verbissen, geschmeidig, doch nie gedrechselt, dynamisch, doch nie gehetzt, torgefährlich, doch nie egoistisch."
Auch nach der Sommerpause zeigte sich der holländische Star noch nicht wirklich fit. Der dritte Titelgewinn mit seinem Klub konnte ihn diesmal nur wenig erfreuen, denn Gullit hatte infolge verschiedener Verletzungen viele Spiele als Ersatzspieler oder gar nur von der Tribüne aus beobachten müssen. Seine Position bei Milan war daher längst nicht mehr unumstritten, dies auch deshalb, weil der Verein immer neue hochklassige Ausländer verpflichtete, so dass stets einige der "Stranieri" wegen des Ausländerkontingents auf der Ersatzbank oder gar auf der Tribüne Platz nehmen mussten. Auch Gullit war davon öfter betroffen und musste unter anderem auch das Europacup-Endspiel 1993 gegen Olympique Marseille von der Tribüne aus mitverfolgen.
Nach dem neuerlichen Gewinn des "Scudetto", an dem er diesmal mit sieben Toren in 15 Partien nur unwesentlichen Anteil gehabt hatte, zog er im Sommer 1993 von sich die Konsequenzen und übersiedelte zu Sampdoria Genua. Zuvor hatte er mit einem Wechsel zu Bayern München in die Bundesliga geliebäugelt, den fast schon perfekten Transfer zum deutschen Rekordmeister im letzten Moment aber doch abgesagt. Als Gründe für seinen Rückzieher wurden die Abneigung gegen München seitens seiner italienischen Partnerin, finanzielle Differenzen, aber auch, so in der Süddeutschen Zeitung, der damals wachsende Rechtsradikalismus in Deutschland genannt. Er selbst gab lapidar "persönliche Gründe" an. Bei Sampdoria fand Gullit allen Unkenrufen zum Trotz wieder die exzellente Form früherer Jahre und wurde während der Saison 1993/94 monatelang als der beste Spieler der Serie A gefeiert und mit seinem neuen Klub italienischer Pokalsieger.
Trotz seines x-ten Frühlings hatte Gullit bereits im Sommer 1993 seinen Rücktritt aus der holländischen Nationalmannschaft verkündet. Im Vorfeld der WM 1994 überredete ihn jedoch Bonds-Coach Dick Advocaat zu einem Comeback. Gullit erklärte sich bereit, an der Endrunde in den USA teilzunehmen und wirkte am 27. Mai auch im Vorbereitungsspiel gegen Schottland wieder mit. Einige Tage später aber verließ er das WM-Trainingslager der Oranjes und erklärte völlig überraschend und ohne Angabe von Gründen, er werde nicht an der WM teilnehmen. Die Karriere in der "Elftal" war damit nach 66 Spielen, in denen er 41-mal als Kapitän fungiert und insgesamt 17 Tore erzielt hatte, endgültig beendet.
Auf Grund seiner überzeugenden Leistungen wurde der 32-Jährige anschließend wieder von Milan zurückgeholt, doch schon wenige Monate später, im November 1994 kurz vor Ende der zweiten Transferphase, verließ er den AC Milan nach nur acht Meisterschaftsspielen endgültig in Richtung Genua. Gullit war bei seinem alten Klub einfach nicht mehr zurechtgekommen, zu stark hatten sich dort mittlerweile Taktik und Mannschaftsgefüge verändert. Der Züricher Sport setzte sich daraufhin im November 1994 in einem längeren Artikel kritisch, wenn auch nicht immer ganz sachlich, mit Gullit auseinander. Darin hieß es einleitend, vom Glanz Gullits aus den guten Tagen sei nur noch wenig übrig geblieben und zu oft habe "die eigenwillige Diva ihre Fans mit überraschenden und unverständlichen Handlungen verärgert". Quintessenz des Beitrags, der vor allem die Vereinswechsel und Rücktritte aus der Nationalmannschaft als Belege aufführt, ist der Vorwurf, Ruud Gullit sei ein großer Egoist.
Im Sommer 1995 verließ Ruud Gullit, der damals auch der "Sonderkommission 2000", einer Expertengruppe der FIFA, angehörte, nach acht Jahren Italien und wechselte von Sampdoria Genua ablösefrei zum FC Chelsea nach London, wo er für einen Zweijahresvertrag umgerechnet 3,5 Mio. DM erhielt. "Das Kind in mir verlangt danach, von allen geliebt zu werden", begründete er seinen doch etwas gewagten Schritt, mit 32 Jahren einen Neuanfang in einer der härtesten Ligen der Welt zu machen. Gullit wurde beim Londoner Traditionsklub mit großen Vorschusslorbeeren empfangen, konnte diesen Erwartungen auch gerecht werden, obwohl der zumeist auf der Libero-Position spielende Holländer nicht permanent zum Einsatz kam.
Wie zufrieden man mit Ruud Gullit an der Fulham Road war, zeigte dann die Tatsache, dass der 34-Jährige im Sommer 1996 von den "Blues" als Spielertrainer engagiert wurde. Mit dieser Doppelfunktion hatte sich Gullit der bislang schwierigsten Aufgabe in seiner langen Fußball-Karriere zu stellen. Er wollte dabei seinem Team in erster Linie "Spaß am Fußball" vermitteln, arbeitete ein neues Fitnessprogramm aus und verpasste seinen Spielern genau ausgeführte Ernährungspläne. In kurzer Zeit war der Holländer in London "everybody's darling" und konnte auch ganz offen die Defizite des englischen Fußballs brandmarken. "Gullit hat Swingin' Chelsea wieder zum Leben erweckt", wurde das Wirken des Spielertrainers auch in den englischen Medien (The Guardian) entsprechend gewürdigt.
Doch bereits nach einem Jahr war es in Chelsea vorbei mit "Sexy Fußball" (SZ, 16.5.1997), wie es Gullit den Fans einst versprochen hatte. Nach Rang sieben in der Meisterschaft der Saison 1996/97 wuchs vor allem innerhalb der Mannschaft die Opposition gegen den Coach - angetrieben vor allem von der italienischen Abteilung innerhalb des Teams. Aber auch ein von Gullit bestrittener Vertragspoker ("Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich den Vertrag verlängere", SZ, 14./15.2.1998) und sein turbulentes Privatleben - Vereinsboss Ken Bates beschimpfte ihn einmal als "Teilzeit-Playboy-Manager" (Sport, 28.4.1998) - trugen ihren Teil dazu bei, dass es in Zusammenhang mit seinem Abschied zu einer für alle Beteiligten unwürdigen Schlammschlacht kam.
Im Herbst 1998 eröffnete sich für Ruud Gullit bereits die Chance auf eine erfolgreiche Fortsetzung seiner jungen Trainerlaufbahn. Bei Newcastle United wurde der 36-Jährige Nachfolger von Teammanager Kenny Dalglish, konnte aber die hoch gesteckten Erwartungen der Teamverantwortlichen nie wirklich erfüllen. Für sie schien er sich mit zu wenig Engagement seinem Job zu widmen, dazu kam ein Machtkampf mit Alan Shearer, dem Star des Teams, den der Holländer schließlich verlor. Als Heilsbringer war "Rudy", wie ihn die englischen Fans nannten, in den Nordosten Englands geholt worden, aber schon bald zweifelten viele Fußball-Insider ernsthaft an seinen Qualitäten als Trainer. Als seine Mannschaft zu Beginn der Saison 1999/2000 nach fünf Runden mit nur einem Punkt auf einem Abstiegsplatz lag, warf Gullit von sich aus das Handtuch. Die Schuld für sein Scheitern suchte der "Exzentriker, der seinen gewohnten extravaganten Lebensstil in der nordenglischen Industriestadt nicht führen konnte" (SZ, 30.8.1999), nicht bei sich, sondern ortete sie vor allem bei der heimischen Presse: "Ich hatte unterschätzt, was es heißt, Trainer von Newcastle United zu sein. Die Presse drang in mein Privatleben ein, ich wurde verfolgt, ins Kino, ins Restaurant, aber der Gipfel war, dass meine Familie belästigt wurde" (SZ, 30.8.1999).
In der Folge verließ Ruud Gullit die britische Insel, kehrte nach Holland zurück und beobachtete das große Fußballgeschäft eine Zeit lang nur noch aus der Distanz. Zum Vergnügen kickte er in der fünften Mannschaft des AFC Amsterdam und hielt sich dabei gleichzeitig auch körperlich ein bisschen fit. Daneben arbeitete er als Fußball-Experte für das Fernsehen und bekam auch eine eigene TV-Sendung, in der er berühmte Leute aus der Welt des Sports, des Films oder der Politik interviewte. Zum Fußball kehrte er erst wieder 2003 zurück, als er vom niederländischen Verband als Bondscoach der U19-Nationalmannschaft geholt wurde und einen Vertrag bis 2005 unterzeichnete. Gleichzeitig sollte er Dick Advokaat als Assistent bei der EURO 2004 in Portugal behilflich sein.
Dann flatterte Anfang 2004 plötzlich ein Angebot von Feyenoord Rotterdam auf Gullits Tisch. Sein Ex-Klub wollte ihn vorzeitig für die Saison 2004/05 verpflichten und kaufte ihn dafür sogar aus dem Vertrag mit dem holländischen Verband. Der Ex-Spieler streute dem Rotterdamer Klub auch gleich Rosen und begründete seinen Schritt, die Nachwuchs-Nationalmannschaft nun doch nicht bis zur Heim-WM der U20 zu betreuen, vor allem mit emotionalen Komponenten: "Alle wissen, dass Feyenoord mein Traumklub ist, auch die Leute im Verband" (kicker, 8.1.2004). Bald waren alle Formalitäten erledigt, und Gullit widmete sich seiner neuen Aufgabe, für die er schließlich sogar auf die EM verzichtete.
Informationen und Meldungen zum weiteren Fortgang der Karriere siehe Journal
Persönliches
Als Sohn des Ökonomie-Lehrers George Gullit, der aus Surinam nach Holland einwanderte, und der gebürtigen Amsterdamerin Maria Dil, einer Angestellten im Rijksmuseum, wuchs Ruud Gullit im alten Stadtteil der holländischen Hauptstadt "De Jordaan" auf, entgegen mancher Behauptungen keineswegs in Armut, und daher diente ihm der Fußball auch nicht als Leiter aus dem Elend. Die Liebe dazu hatte er eher von seinem Vater geerbt, der zeitweise Nationalspieler in seiner Heimat war und später auch noch in Holland beim ASV Meerboys aktiv Fußball spielte.
Von seinem Äußeren und vom Verhalten außerhalb des Spielfeldes her entsprach Gullit, der Fußball "mit heißem Herzen, nicht mit kühlem Kopf" spielte (so er selbst), nicht unbedingt dem Klischee eines Fußballstars. Die wilden, verschraubten, manchmal zu einem Zopf zusammengebundenen Rasta-Locken ("dreadlocks") waren das äußere Markenzeichen des Ball-Rastellis, der sich inzwischen einen Kurzhaarschnitt zugelegt hat. Die Frankfurter Rundschau schrieb einmal über Gullit: "Der Mann hat Charisma, der Mann hat Ausstrahlung. Er ist der Star ohne Allüren, der Star zum Anfassen, stets und ständig im Mittelpunkt des Interesses, eine Autorität im besten Sinne, er ist eine Persönlichkeit, und die ist nicht vom Fußball allein geprägt." Kritiker werfen dem "fußballspielenden Bob Marley" (International Herald Tribune) jedoch vor, sein politisches und soziales Engagement sei nur oberflächlich und er "sei längst nicht so gescheit, wie er rede" (FAZ). Sie verwiesen etwa auf seinen Werbevertrag mit dem auch im seinerzeitigen Apartheid-Staat Südafrika präsenten Philips-Konzern, der ihm bis zu seinem 60. Lebensjahr jährlich rund 1,4 Mio. DM einbringt.
Ruud Gullit engagiert sich auch politisch: Er setzt sich, auch wenn er nach eigenem Bekunden "Rassismus am eigenen Leibe nie erfahren" hat, für die Anti-Apartheid-Bewegung ein. Den Goldenen Fußball für die Wahl zum besten europäischen Spieler 1987 widmete er Nelson Mandela, der den "Rembrandt des Rasens" (isk, 13.3.1996) 1997 im Gegenzug mit dem "State Award", der höchsten Auszeichnung des Landes, belohnte. In Holland schrieb er sich als Mitglied der Anne-Frank-Stiftung ein, die sich gegen Rassendiskriminierung richtet und ethnische Minderheiten unterstützt. Sein Engagement rechtfertigt er mit den Worten: "Wenn man jemand ist, soll man den Mund aufmachen. Da hören die Leute hin." Der Autor Dietrich Schulze-Marmeling schrieb in seinem Buch "Der gezähmte Fußball" über Gullit: "Von seiner Herkunft, seinem Umgang mit dem einfachen Mann auf der Straße und seiner Spielweise her, vor allem aber wegen seiner konsequent demokratischen und antifaschistischen politischen Einstellung erfüllt Ruud Gullit [...] alle Kriterien, die zwecks Definition eines 'linken Fußballers' strapaziert werden."
Von Schlagzeilen gepflastert war nicht nur Gullits Fußballkarriere, auch mit seinem bewegten Privatleben bot er den Medien jede Menge Stoff. Im August 1984 heiratete Ruud Gullit seine Jugendfreundin Yvonne de Vries, mit der er zwei Töchter (Charmayne und Felicity) hat. Während seiner Zeit beim AC Milan trennte er sich von seiner ersten Frau und lebte fortan mit der italienischen Diva Cristina Pensa zusammen. Geheiratet wurde allerdings erst nach der Geburt der zwei Kinder Quincy (geb. 1992) und Cheyenne (geb. 1994). Die sportliche Veränderung nach London brachte Gullits Privatleben einmal mehr durcheinander, denn nur 30 Monate nach der Heirat mit Cristina folgte die neuerliche Scheidung. Grund dafür war sicherlich auch die Liaison des Fußballstars mit dem amerikanisch-holländischen Model Estelle Cruyff, der Nichte des großen Johan Cruyff, die schließlich im Juni 2000 seine dritte Ehefrau wurde. Auch mit ihr hat Ruud Gullit inzwischen zwei Kinder, Tochter Joëlle (geb. 1997) und Sohn Maxim (geb. 2001).
Musik ist neben dem Fußball die große Leidenschaft des Kosmopoliten Ruud Gullit, der außer seiner Muttersprache fließend Englisch, Deutsch und Italienisch spricht. Er schwärmt für Reggae-Rhythmen, Bob Marley, Joe Cocker, U2 und die Simple Minds, spielt selbst Gitarre und tritt gelegentlich als Sänger und Gitarrist mit anderen Gruppen auf. Mit einer Schallplatte erreichte er in den Niederlanden sogar einmal Rang zehn der Hitparade. Andere Dinge, die er mag, sind Lesen und Golfspielen.
Karriere in Zahlen
Stationen als Spieler:
1973 - 1975: |
ASV Meerboys Amsterdam |
1975 - 1978: |
DWS Amsterdam |
1978 - 1982: |
HFC Haarlem |
1982 - 1985: |
Feyenoord Rotterdam |
1985 - 1987: |
PSV Eindhoven |
1987 - 1993: |
AC Milan |
1993/94: |
Sampdoria Genua |
Juli - Nov. 1994: |
AC Milan |
Nov. 1994 - 1995: |
Sampdoria Genua |
1995 - 1998: |
FC Chelsea London |
Statistiken:
Saison |
Mannschaft |
Liga |
Spiele |
Tore |
1979/80: |
FC Haarlem |
1. |
24 |
4 |
1980/81: |
FC Haarlem |
2. |
36 |
14 |
1981/82: |
FC Haarlem |
1. |
31 |
14 |
1982/83: |
Feyenoord Rotterdam |
1. |
33 |
9 |
1983/84: |
Feyenoord Rotterdam |
1. |
33 |
15 |
1984/85: |
Feyenoord Rotterdam |
1. |
19 |
7 |
1985/86: |
PSV Eindhoven |
1. |
34 |
24 |
1986/87: |
PSV Eindhoven |
1. |
34 |
22 |
1987/88: |
AC Milan |
1. |
29 |
9 |
1988/89: |
AC Milan |
1. |
19 |
5 |
1989/90: |
AC Milan |
1. |
2 |
0 |
1990/91: |
AC Milan |
1. |
26 |
7 |
1991/92: |
AC Milan |
1. |
26 |
7 |
1992/93: |
AC Milan |
1. |
15 |
7 |
1993/94: |
Sampdoria Genua |
1. |
31 |
15 |
1994/95: |
AC Milan |
1. |
8 |
3 |
1994/95: |
Sampdoria Genua |
1. |
22 |
9 |
1995/96: |
FC Chelsea London |
1. |
24 |
2 |
1996/97: |
FC Chelsea London |
1. |
12 |
1 |
1997/98: |
FC Chelsea London |
1. |
6 |
0 |
Erfolge als Spieler:
66 Länderspiele (17 Tore/41x Kapitän) |
208 Spiele Eredivisie (95 Tore) |
178 Spiele Serie A (62 Tore) |
42 Spiele Premier League (3 Tore) |
WM-Teilnehmer 1990 (Achtelfinale) |
Europameister 1988 |
EM-Dritter 1992 |
Europapokalsieger (Landesmeister) 1989, 1990 |
Weltpokalsieger 1989, 1990 |
Supercup-Sieger 1989, 1990 |
Holländischer Meister 1984, 1986, 1987 |
Holländischer Vizemeister 1983 |
Italienischer Meister 1988, 1992, 1993 |
Italienischer Vizemeister 1990 |
Italienischer Pokalsieger 1994 |
Holländischer Pokalsieger 1984 |
Europas Fußballer des Jahres 1987 |
Zweiter Wahl Europas Fußballer des Jahres 1988 |
Dritter Wahl Weltfußballer des Jahres 1988, 1989 |
Hollands Fußballer des Jahres 1984, 1986 |
Hollands Sportler des Jahres 1987 |
Stationen als Trainer:
1996 - Febr. 1998: |
FC Chelsea London (Spielertrainer) |
1998 - Aug. 1999: |
Newcastle United |
1999 - 2003: |
kein Klub |
2003/04: |
Nationaltrainer Holland (U19) |
seit 2004: |
Feyenoord Rotterdam |
Erfolge als Trainer:
Englischer Pokalsieger 1997 |
Journal
Ergänzungen aus MA-Journal. Die nachfolgenden Meldungen werden bei der nächsten redaktionellen Bearbeitung in den Text integriert.
Mai 2005: Ruud Gullit tritt als Trainer von Feyenoord Rotterdam zurück. Das Team belegte in der abgelaufenen Saison Rang vier mit 25 Punkten Rückstand auf Meister PSV Eindhoven.
November 2007: Der US-Profiklub Los Angeles Galaxy verpflichtet Ruud Gullit als neuen Trainer. Er löst Frank Yallop ab und soll einen Dreijahresvertrag erhalten.
18. August 2008: Der US-Fußballklub Los Angeles Galaxy verpflichtet Bruce Arena als neuen Trainer. Er folgt auf Ruud Gullit, der aus persönlichen Gründen zurückgetreten war. Arena übernimmt zudem als Nachfolger des entlassenen früheren US-Nationalspielers Alexi Lalas den Posten des Generalmanagers.
18. Januar 2011: Ruud Gullit wird neuer Trainer des russischen Erstligisten Terek Grosny. Er erhält einen Vertrag über 18 Monate.
14. Juni 2011: Ruud Gullit wird als Trainer von Terek Grosny entlassen.
9. Mai 2017: Der niederländische Fußball-Verband KNVB stellt Dick Advocaat als neuen Nationaltrainer vor. Advocaat, der den Posten bereits zum dritten Mal übernimmt, gilt allerdings nur als kurzfristige Lösung und soll die Niederlande trotz der schlechten Ausgangslage in der Qualifikationsgruppe noch zur WM 2018 in Russland führen. Assistent wird Ruud Gullit.